Die Rückkehr des Sherlock Holmes
falls Ihnen etwas an einer Fahrt über zwanzig Meilen liegt, die Sie wieder an Ihren Ausgangspunkt zurückfuhren wird, so brauchen Sie mir nur zu folgen. Unterdessen setze ich Sie davon in Kenntnis, daß Mr. Godfrey Staunton in keiner Weise dadurch zu helfen ist, daß Sie mir nachspionieren. Der beste Dienst, den Sie diesem Gentleman erweisen können, ist nach meiner Überzeugung der, daß Sie unverzüglich nach London zurückkehren und Ihrem Auftraggeber berichten, daß Sie ihn nicht aufspüren können. In Cambridge werden Sie Ihre Zeit mit Sicherheit verschwenden.
Hochachtungsvoll
LESLIE ARMSTRONG
»Der Doktor ist ein freimütiger, ehrlicher Gegenspieler«, sagte Holmes. »Nun, nun, er erregt meine Neugier, und ich muß unbedingt mehr wissen, ehe ich ihn verlasse.«
»Sein Wagen steht jetzt vor der Tür«, sagte ich. »Jetzt steigt er ein. Ich habe bemerkt, daß er dabei zu unserem Fenster hochgesehen hat. Soll ich heute mal mein Glück auf dem Fahrrad versuchen?«
»Nein, nein, mein lieber Watson! Bei allem Respekt vor Ihrem natürlichen Scharfsinn dürften Sie dem trefflichen Doktor doch wohl nicht ganz gewachsen sein. Vielleicht gelange ich durch ein paar unabhängige Nachforschungen auf eigene Faust ans Ziel. Ich fürchte, ich werde Sie sich selbst überlassen müssen, da das Erscheinen von
zwei
neugierigen Fremden in einer verschlafenen Landschaft mehr Geschwätz hervorrufen könnte, als mir lieb ist. Sie werden in dieser ehrwürdigen Stadt zweifellos einige interessante Sehenswürdigkeiten finden, und ich hoffe, Ihnen heute abend einen günstigeren Bericht mitbringen zu können.«
Mein Freund sollte jedoch wieder enttäuscht werden. Am Abend kam er erschöpft und erfolglos zurück.
»Der Tag ist ins Wasser gefallen, Watson. Nachdem ich die ungefähre Fahrtrichtung des Doktors herausgefunden hatte, habe ich den Tag damit verbracht, sämtliche Dörfer auf dieser Seite von Cambridge zu besuchen und mit Schankwirten und anderen örtlichen Nachrichtenagenturen Gedanken auszutauschen. Ich habe etwas Boden gewonnen: Chesterton, Histon, Waterbeach und Cakington sind durchforscht worden und haben sich alle als Fehlschlag entpuppt. In solch schläfrigen Nestern hätte man das tägliche Erscheinen eines Zweispänners wohl kaum übersehen. Wieder hat der Doktor einen Punkt gemacht. Ist ein Telegramm für mich gekommen?«
»Ja; ich habe es schon aufgemacht. Hier ist es: ›Bitten Sie Jeremy Dixon vom Trinity College um Pompey.‹ Ich verstehe das nicht.«
»Ach, ganz einfach: Das ist von unserem Freund Overton und beantwortet meine Anfrage. Ich werde Mr. Jeremy Dixon jetzt eine Nachricht zukommen lassen, und dann wird sich unser Glück zweifellos wenden. Gibt’s übrigens was Neues von dem Spiel?«
»Ja, die hiesige Abendzeitung hat in ihrer neuesten Ausgabe einen ausgezeichneten Bericht. Oxford hat mit einem Tor und zwei Versuchen gewonnen. Die letzten Sätze der Reportage lauten: ›Die Niederlage der Hellblauen dürfte ausschließlich der unglücklichen Abwesenheit des hochkarätigen Nationalspielers Godfrey Staunten, zuzuschreiben sein, dessen Fehlen sich in jeder Phase des Spiels bemerkbar machte. Die mangelhafte Zusammenarbeit der Three-Quarter-Linie und deren Schwäche sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung waren auch durch die Bemühungen einer sonst kompakten hart kämpfenden Mannschaft nicht zu kompensieren.‹«
»Womit also die Befürchtungen unseres Freundes Overton ihre Berechtigung hatten«, sagte Holmes. »Persönlich bin ich mit Dr. Armstrong einer Meinung: Rugby interessiert mich nicht im geringsten. Heute abend früh ins Bett, Watson, denn ich sehe voraus, daß es morgen einen ereignisreichen Tag geben wird.«
Holmes’ Anblick am nächsten Morgen setzte mich in Schrecken, denn er saß mit seiner kleinen hypodermatischen Spritze vor dem Kamin. Ich mußte gleich an seine einzige Charakterschwäche denken und fürchtete das Schlimmste, als ich sie in seiner Hand glitzern sah. Er lachte mich ob meiner bestürzten Miene aus und legte die Spritze auf den Tisch.
»Nein, nein, mein Lieber, kein Grund zur Aufregung. Sie ist in diesem Falle nicht das Werkzeug des Bösen, sondern wird sich eher als der Schlüssel erweisen, der unser Geheimnis aufschließt. Auf dieser Spritze basieren alle meine Hoffnungen. Ich komme soeben von einem kleinen Erkundungsgang zurück, und alles sieht günstig aus. Frühstücken Sie ordentlich, Watson, denn ich beabsichtige, Dr. Armstrong heute auf die
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