Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Tragisches lauern könnte.
Auf eine regnerische Nacht war ein herrlicher Morgen gefolgt, und die Heidelandschaft mit ihren glühenden Büschen blühenden Ginsters erschien unseren vom tristen Grau in Grau Londons müden Augen nur desto schöner. Holmes und ich wanderten über den breiten sandigen Weg, sogen die frische Morgenluft ein und erfreuten uns am Gesang der Vögel und dem erfrischenden Frühlingslüftchen. Von einer Erhebung der Straße auf dem Rücken von Crooksbury Hill konnten wir die düstere Hall aus den uralten Eichen ragen sehen; letztere waren, so alt sie auch sein mochten, noch immer jünger als das Gebäude, das sie umstanden. Holmes wies auf den langen Straßenabschnitt, der sich wie ein rötlich-gelbes Band zwischen dem Braun der Heide und dem knospenden Grün der Wälder hindurchwand. Weit hinten sahen wir einen schwarzen Punkt, ein Fahrzeug auf uns zukommen. Holmes machte seinem Unwillen Luft:
»Ich hatte uns eine halbe Stunde Vorsprung gegeben«, sagte er. »Wenn das ihr Wagen ist, muß sie den früheren Zug nehmen wollen. Ich fürchte, Watson, sie wird an Charlington vorbei sein, ehe wir mit ihr zusammentreffen können.«
Nachdem wir über die Anhöhe hinwegwaren, konnten wir das Fahrzeug nicht mehr sehen, aber wir hasteten mit solcher Geschwindigkeit voran, daß meine sitzende Lebensweise sich auszuwirken begann und ich gezwungen war, zurückzubleiben. Holmes freilich war immer in Übung, denn er konnte sich unerschöpflicher Vorräte an Körperkräften bedienen. Er schritt immer weiter federnd aus, bis er, hundert Yards vor mir, plötzlich stehenblieb; ich sah, wie er in einer Geste des Schmerzes und der Verzweiflung einen Arm hochwarf. Im selben Augenblick raste ein leerer Einspänner – das Pferd galoppierte mit schleifenden Zügeln – um die Kurve und ratterte rasch auf uns zu.
»Zu spät, Watson; zu spät!« rief Holmes, als ich keuchend neben ihm anlangte. »Welch ein Narr ich war, den früheren Zug nicht in Betracht zu ziehen! Entführung, Watson – Entführung! Mord! Der Himmel weiß was! Versperren Sie den Weg! Halten Sie das Pferd an! Gut so. Nun springen Sie auf; mal sehen, ob ich die Folgen meines groben Fehlers noch ausbügeln kann.«
Wir waren auf den Wagen gesprungen; Holmes gab dem Pferd, nachdem er es gewendet hatte, einen scharfen Schlag mit der Peitsche, und wir flogen über die Straße zurück. Als wir um die Kurve fuhren, lag die ganze Strecke zwischen der Hall und der Heide offen vor uns. Ich packte Holmes beim Arm.
»Da ist der Mann!« stieß ich hervor.
Ein einsamer Radfahrer kam auf uns zu. Sein Kopf war herabgezogen und seine Schultern gerundet, als er jedes Quentchen Energie, das er besaß, in die Pedale steckte. Er schoß daher wie ein Rennfahrer. Plötzlich hob er sein bärtiges Gesicht, sah uns dicht vor sich, bremste und sprang von seinem Rad. Dieser kohlrabenschwarze Bart stand in merkwürdigem Kontrast zu seinem bleichen Gesicht, und seine Augen glänzten, als habe er Fieber. Er starrte uns und den Einspänner an. Dann trat ein verblüffter Ausdruck auf sein Gesicht.
»Hallo! Anhalten!« brüllte er und verstellte mit seinem Fahrrad die Straße. »Wo haben Sie diesen Wagen her? Halten Sie an, Mann!« kreischte er und zog eine Pistole aus seiner Seitentasche. »Anhalten, sag ich, Sakrament, oder Ihr Pferd kriegt eine Kugel verpaßt!«
Holmes warf mir die Zügel in den Schoß und sprang vom Wagen ab.
»Sie sind der Mann, den ich sehen will. Wo ist Miss Violet Smith?« sagte er auf seine rasche, klare Art.
»Das frage ich
Sie.
Sie sind in Ihrem Wagen. Sie sollten daher wissen, wo Sie ist.«
»Den Wagen haben wir auf der Straße angetroffen. Es war niemand darin. Wir sind damit zurückgefahren, um der Lady zu helfen.«
»Großer Gott! Großer Gott! Was soll ich nur tun?« rief der Fremde in verzweifelter Raserei. »Sie haben sie, dieser Höllenhund Woodley und der Lump von einem Pfaffen. Kommen Sie, Mann, kommen Sie, wenn Sie wirklich ihr Freund sind. Stehen Sie mir bei, und wir werden sie retten, und wenn meine Leiche im Wald von Charlington bleiben sollte.«
Er rannte wie wahnsinnig mit der Pistole in der Hand auf eine Lücke in der Hecke zu. Holmes folgte ihm, und ich folgte Holmes und ließ das Pferd grasend am Straßenrand zurück.
»Hier sind sie durchgekommen«, sagte er und wies auf mehrere Fußspuren auf dem schlammigen Pfad. »Hallo! Moment mal! Wer ist das da im Busch?«
Es war ein junger Bursche von etwa siebzehn Jahren, wie ein
Weitere Kostenlose Bücher