Die Rückkehr des Sherlock Holmes
fürchtete, mehr könne er mir nicht sagen, da die Angelegenheiten seiner Klienten zu den Dingen gehörten, die er nicht diskutieren dürfe.
Mr. Sherlock Holmes hörte sich den langen Bericht, den ich ihm an diesem Abend erstatten konnte, aufmerksam an, doch ließ er sich jenes Wort knappen Lobes nicht entlocken, das ich mir erhofft hatte und das ich zu schätzen gewußt hätte. Im Gegenteil, sein strenges Gesicht war gar noch ernster als gewöhnlich, als er seine Bemerkungen zu den Dingen machte, die ich getan und die ich unterlassen.
»Ihr Versteck, mein lieber Watson, war überaus schlecht gewählt. Sie hätten sich hinter der Hecke halten müssen; dann hätten Sie diese interessante Person von nahem sehen können. So aber waren Sie einige hundert Yards weit entfernt und können mir nicht einmal so viel erzählen wie Miss Smith. Sie glaubt, diesen Mann nicht zu kennen; ich bin vom Gegenteil überzeugt. Warum sonst sollte er so verzweifelt bemüht sein, sich so weit von ihr entfernt zu halten, daß sie seine Züge nicht erkennen kann? Sie beschreiben, wie er sich über die Lenkstange gebeugt hat. Auch damit verbirgt er sich, ja? Sie haben es wahrhaftig bemerkenswert schlecht angestellt. Er kehrt zum Haus zurück, und Sie wollen ermitteln, wer er ist. Sie fahren nach London zu einem Makler!«
»Was hätte ich denn tun sollen?« rief ich ein wenig erhitzt.
»Zum nächsten Wirtshaus gehen. Das ist auf dem Lande immer das Zentrum des Klatschs. Dort hätte man Ihnen jeden Namen gesagt – vom Hausherrn bis zur Küchenmagd. Williamson! Das ruft nichts in mir wach. Ist er ein älterer Mann, dann ist er nicht dieser sportliche Radfahrer, dem es gelingt, sich der Verfolgung durch unsere athletische junge Dame mit einem Sprint zu entziehen. Was haben wir durch Ihren Ausflug gewonnen? Die Gewißheit, daß die Geschichte des Mädchens stimmt. Das habe ich nie bezweifelt. Daß es eine Verbindung zwischen dem Radfahrer und der Hall gibt. Auch dies habe ich nie bezweifelt. Daß die Hall von einem Williamson gemietet ist. Was hilft uns das? Nun, nun, mein lieber Sir, blicken Sie nicht so niedergeschlagen drein. Bis zum nächsten Samstag können wir kaum etwas unternehmen, und inzwischen will ich selbst ein paar Ermittlungen anstellen.«
Am nächsten Morgen erhielten wir einen Brief von Miss Smith, in dem sie uns kurz und bündig genau die Vorfälle berichtete, die ich beobachtet hatte; die wesentliche Mitteilung des Briefs fand sich jedoch im Postskriptum:
Ich bin sicher, Sie werden meine Zutraulichkeit respektieren, Mr. Holmes, wenn ich Ihnen sage, daß meine Stelle hier aufgrund der Tatsache, daß mein Arbeitgeber mir einen Heiratsantrag gemacht hat, schwierig geworden ist. Ich bin davon überzeugt, daß er die tiefsten und ehrbarsten Gefühle dabei empfindet. Gleichzeitig aber habe ich mein Versprechen bereits einem anderen gegeben. Er nahm meinen abschlägigen Bescheid sehr ernst auf, aber auch sehr freundlich. Sie werden jedoch begreifen, daß die Lage ein wenig angespannt ist.
»Unsere junge Freundin scheint in Schwierigkeiten zu geraten«, sagte Holmes nachdenklich, als er den Brief gelesen hatte. »Der Fall weist in der Tat mehr Interessantes und mehr Entwicklungsmöglichkeiten auf, als ich ursprünglich gedacht hatte. Ein ruhiger, friedlicher Tag auf dem Lande könnte mir nichts schaden, und ich habe Lust, heute nachmittag mal hinzufahren und ein paar Theorien, die ich mir gebildet habe, einer Prüfung zu unterziehen.«
Holmes’ ruhiger Tag auf dem Lande nahm ein eigentümliches Ende: Am späten Abend nämlich traf er mit aufgeschlagener Lippe und einer verfärbten Beule auf der Stirn in Baker Street ein; darüber hinaus machte er ganz allgemein einen Eindruck von Verlotterung, der ihn selbst zu einem geeigneten Ermittlungsobjekt für Scotland Yard hätte machen können. Er war von seinen Abenteuern ungeheuer amüsiert und lachte herzhaft, als er sie zum besten gab.
»Ich komme so wenig zu körperlicher Betätigung, daß es mir stets eine Wonne ist«, sagte er. »Sie wissen ja, daß ich in dem guten alten britischen Boxsport nicht eben unvermögend bin. Dies ist mir gelegentlich von Nutzen. Heute zum Beispiel wäre ich ohne das in die schimpflichste Klemme geraten.«
Ich bat, mir zu erzählen, was vorgefallen sei.
»Ich habe jenen ländlichen Gasthof, welchen ich bereits Ihrer Aufmerksamkeit empfohlen hatte, gefunden und dort meine diskreten Nachforschungen angestellt. Ich war in der Bar, und ein
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