Die Rückkehr des Sherlock Holmes
auch überweisen. Ich habe mein Konto bei der Capital & Counties Bank, Filiale Oxford Street.«
Seine Gnaden saß sehr ernst und aufrecht auf ihrem Stuhl und sah meinen Freund steinern an.
»Soll das ein Scherz sein, Mr. Holmes? Das ist wohl kaum das richtige Thema dafür.«
»Nicht im geringsten, Euer Gnaden. Ich habe es in meinem Leben noch nie so ernst gemeint.«
»Was meinen Sie dann damit?«
»Ich meine, daß ich die Belohnung verdient habe; ich weiß, wo sich Ihr Sohn befindet, und ich kenne zumindest einige von denen, die ihn festhalten.«
Vor seinem gespenstisch weißen Gesicht hatte der Bart des Herzogs eine noch grellere Röte angenommen.
»Wo ist er?« keuchte er.
»Er ist, oder war vorige Nacht im Gasthof zum Kampfhahn, etwa zwei Meilen vor den Toren Ihres Parks.«
Der Herzog sank in seinen Stuhl zurück.
»Und wen beschuldigen Sie?«
Sherlock Holmes’ Antwort verblüffte mich. Er trat rasch nach vorn und tippte dem Herzog auf die Schulter.
»Ich beschuldige
Sie
«, sagte er. »Wenn ich Euer Gnaden nun um den Scheck bitten darf.«
Nie werde ich das Bild vergessen, wie der Herzog aufsprang und mit beiden Händen herumruderte wie jemand, der in einem Abgrund versinkt. Dann nahm er seine ganze aristokratische Selbstbeherrschung zusammen, setzte sich wieder und verbarg sein Gesicht in den Händen. Erst nach mehreren Minuten sprach er.
»Wieviel wissen Sie?« fragte er schließlich, ohne den Kopf zu heben.
»Ich habe Sie vorige Nacht mit ihm zusammen gesehen.«
»Weiß dies außer Ihrem Freund sonst jemand?«
»Ich habe zu niemandem davon gesprochen.«
Der Herzog griff mit zitternden Fingern nach einer Feder und öffnete sein Scheckbuch.
»Ich stehe zu meinem Wort, Mr. Holmes. Ich werde Ihnen den Scheck ausstellen, wie wenig willkommen mir auch die Information sein mag, zu der Sie gelangt sind. Als ich dieses Angebot machte, dachte ich kaum an die Wende, die die Ereignisse nehmen würden. Aber Sie und Ihr Freund sind Männer von Diskretion, Mr. Holmes?«
»Ich verstehe Euer Gnaden nicht recht.«
»Ich sage es Ihnen ganz deutlich, Mr. Holmes. Wenn nur Sie beide von der Sache wissen, besteht kein Grund, sie noch weiter zu verbreiten. Ich schulde Ihnen doch zwölftausend Pfund, nicht wahr?«
Aber Holmes lächelte und schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, Euer Gnaden, daß sich dies kaum so leicht beilegen läßt. Schließlich ist noch der Tod dieses Lehrers zu berücksichtigen.«
»Aber davon hat James nichts gewußt. Sie können ihn dafür nicht verantwortlich machen. Das war das Werk dieses brutalen Schurken, den er unglücklicherweise beschäftigt hat.«
»Euer Gnaden, ich muß den Standpunkt vertreten, daß jemand, der sich auf ein Verbrechen einläßt, an jedem weiteren Verbrechen, das sich daraus ergibt, moralisch schuldig ist.«
»Moralisch, Mr. Holmes. Da haben Sie zweifellos recht. Aber gewiß nicht in den Augen des Gesetzes. Man kann einen Mann nicht für einen Mord verurteilen, bei dem er nicht anwesend war und den er genauso verabscheut und mißbilligt wie Sie. Sobald er davon erfuhr, machte er mir ein vollständiges Geständnis, so sehr war er von Entsetzen und Reue erfüllt. Binnen einer Stunde hat er mit dem Mörder vollkommen gebrochen. O Mr. Holmes, Sie müssen ihn retten – Sie müssen ihn retten! Ich sage Ihnen, Sie müssen ihn retten!« Der Herzog hatte die letzte Bemühung um Selbstbeherrschung fahrenlassen und schritt mit verzerrtem Gesicht und fuchtelnden Fäusten im Zimmer hin und her. Schließlich riß er sich zusammen und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. »Ich weiß Ihr Verhalten zu schätzen, daß Sie zu mir gekommen sind, bevor Sie mit jemand anderem gesprochen haben«, sagte er. »Zumindest können wir darüber beraten, wie wir das Ausmaß dieses scheußlichen Skandals möglichst gering halten können.«
»Sehr wohl«, sagte Holmes. »Euer Gnaden, ich denke, dies läßt sich nur durch absolute und vollkommene Offenheit zwischen uns bewerkstelligen. Ich bin gesinnt, Euer Gnaden nach besten Kräften zu helfen; aber um dies tun zu können, muß ich die Verhältnisse bis zur letzten Einzelheit begreifen. Ich bemerke, daß Ihre Worte sich auf Mr. James Wilder bezogen, und daß er nicht der Mörder ist.«
»Richtig; der Mörder ist entkommen.«
Sherlock Holmes lächelte verhalten.
»Euer Gnaden haben von meinem Ruf wohl nicht allzuviel vernommen, sonst würden Sie sich nicht einbilden, daß man mir so leicht entkommen kann. Mr. Reuben Hayes wurde
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