Die Rückkehr des Sherlock Holmes
sagte Holmes kalt, »man könnte meinen, Sie fürchteten, wir würden hier etwas entdecken können.«
Der Mann riß sich mit großer Mühe zusammen, und sein grimmiges Maul entspannte sich zu einem falschen Lachen, das noch bedrohlicher wirkte als seine finstere Miene.
»Meinetwegen können Sie in meiner Schmiede alles entdecken, was Sie wollen«, sagte er. »Aber sehn Sie mal, Mister, ich halte nichts davon, daß irgendwelche Leute ohne meine Erlaubnis in meinem Haus herumschnüffeln. Je früher Sie also Ihre Rechnung bezahlen und von hier verschwinden, desto mehr wird es mich freuen.«
»Schon gut, Mr. Hayes – war nicht böse gemeint«, sagte Holmes. »Wir haben uns Ihre Pferde angesehen; aber ich denke, ich werde doch zu Fuß gehen. Es ist ja wohl nicht mehr weit.«
»Bis zum Eingangstor der Hall nicht weiter als zwei Meilen. Die Straße nach links.« Er beobachtete uns grämlich, bis wir sein Grundstück verlassen hatten.
Indes gingen wir die Straße nicht sehr weit, denn Holmes blieb in dem Moment stehen, da uns eine Biegung den Blicken des Wirtes entzog.
»Dieser Gasthof war warm, wie die Kinder sagen«, bemerkte er. »Je weiter ich mich davon entferne, desto kälter scheint’s zu werden. Nein, nein; ich kann da unmöglich fort.«
»Ich bin davon überzeugt«, sagte ich, »daß dieser Reuben Hayes ganz genau Bescheid weiß. Einen offensichtlicheren Schurken als den habe ich noch nie gesehen.«
»Oh! So ist er Ihnen also vorgekommen, ja? Da haben wir die Pferde, und die Schmiede. Ja, ein interessantes Haus, dieser ›Kampfhahn‹. Wir sollten es uns noch einmal unauffällig ansehen.«
Hinter uns erstreckte sich eine lange, ansteigende Hügelflanke, die mit grauen Kalksteinbrocken übersät war. Wir hatten die Straße verlassen und stiegen jetzt diesen Hügel hoch, als ich nach Holdernesse Hall hinübersah und einen Radfahrer erblickte, der rasch näherkam.
»Runter, Watson!« rief Holmes und legte mir schwer seine Hand auf die Schulter. Wir waren kaum außer Sicht getaucht, als der Mann auf der Straße an uns vorbeischoß. Inmitten einer wogenden Staubwolke sah ich flüchtig ein blasses, aufgeregtes Gesicht – ein Gesicht, das in jedem Zug Entsetzen trug; der Mund stand offen, und die Augen starrten wild geradeaus. Es glich einer merkwürdigen Karikatur des adretten James Wilder, den wir in der Nacht zuvor gesehen hatten.
»Der Sekretär des Herzogs!« rief Holmes. »Kommen Sie, Watson, wir wollen sehen, was er macht.«
Wir krabbelten von Fels zu Fels, bis wir uns nach wenigen Augenblicken zu einer Stelle vorgearbeitet hatten, von der aus wir den Eingang des Gasthofs sehen konnten. Wilders Fahrrad lehnte an der Mauer daneben. Um das Haus herum regte sich nichts, und auch an den Fenstern konnten wir keinerlei Gesichter erkennen. Langsam kroch die Dämmerung heran, als die Sonne hinter den hohen Türmen von Holdernesse Hall unterging. Dann sahen wir im Zwielicht die beiden Seitenlampen eines Zweisitzers im Stallhof der Herberge aufleuchten, und kurz darauf vernahmen wir Hufgetrappel, als der Wagen auf die Straße rollte und mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Chesterfield losstürmte.
»Was schließen Sie daraus, Watson?« flüsterte Holmes.
»Sieht nach einer Flucht aus.«
»Ein einzelner Mann in einem Einspänner, soweit ich es erkennen konnte. Nun, auf jeden Fall war es nicht Mr. James Wilder, denn der kommt gerade aus der Tür.«
Ein rotes Lichtviereck hatte sich in die Finsternis aufgetan. In seiner Mitte stand die schwarze Gestalt des Sekretärs; er reckte den Kopf nach vorn und spähte in die Nacht hinaus. Augenscheinlich erwartete er jemanden. Dann ließen sich endlich auf der Straße Schritte vernehmen, vor dem Licht wurde für einen Augenblick eine zweite Gestalt sichtbar, die Tür schloß sich, und es war wieder alles schwarz. Fünf Minuten später ging in einem Zimmer im ersten Stock ein Licht an.
»Der ›Kampfhahn‹ scheint eine seltsame Art von Kundschaft aufzunehmen«, sagte Holmes.
»Die Schenke ist auf der anderen Seite.«
»Eben. Diese Leute hier könnte man Privatgäste nennen. Nun, was um alles in der Welt macht Mr. James Wilder zu dieser Nachtstunde in einer solchen Spelunke, und mit wem trifft er sich hier? Kommen Sie, Watson, wir müssen einfach das Wagnis auf uns nehmen und versuchen, das ein bißchen genauer zu untersuchen.«
Wir stahlen uns zusammen zur Straße hinunter und schlichen zum Eingang des Gasthofs hinüber. Das Fahrrad lehnte noch immer an der
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