Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Kleidung.
Holmes lachte gutmütig.
»Jedenfalls wird er froh sein, uns zu sehen.«
»Wieso?«
»Weil wir ihm etwas Neues über seinen verlorenen Sohn zu sagen haben.«
Der Wirt zuckte sichtlich zusammen.
»Was! Sie sind ihm auf der Spur?«
»Er soll in Liverpool gesehen worden sein. Man rechnet stündlich damit, seiner habhaft zu werden.«
Wieder ging eine rasche Veränderung über das massige, unrasierte Gesicht. Plötzlich benahm er sich sehr freundlich.
»Ich habe weniger Grund als die meisten, dem Herzog etwas Gutes zu wünschen«, sagte er; »ich war nämlich mal sein Erster Kutscher, und er hat mich ganz schön mies behandelt. Hat mich ohne Zeugnis rausgeschmissen, nur weil ein verlogener Getreidehändler irgendwas gesagt hat. Aber es freut mich zu hören, daß der junge Herr in Liverpool gesehen worden sein soll, und ich werde Ihnen helfen, die Neuigkeit zur Hall zu bringen.«
»Danke«, sagte Holmes. »Vorher wollen wir noch was essen. Dann können Sie uns das Fahrrad bringen.«
»Ich habe kein Fahrrad.«
Holmes hielt einen Sovereign in die Höhe.
»Mann, ich sage Ihnen, ich hab keins. Ich werd Ihnen zwei Pferde bis zur Hall leihen.«
»Nun, nun«, sagte Holmes, »darüber sprechen wir, wenn wir etwas gegessen haben.«
Als wir in der gekachelten Küche alleine waren, erholte sich der verstauchte Knöchel mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Es war kurz vor der Abenddämmerung, und wir hatten seit dem frühen Morgen nichts mehr gegessen, so daß wir einige Zeit über unserem Mahl hinbrachten. Holmes war in Gedanken versunken, und ein paarmal trat er ans Fenster und blickte ernst hinaus. Es ging auf einen verkommenen Hof. In der hinteren Ecke befand sich eine Schmiede, in der sich ein schmutziger Kerl zu schaffen machte. Die Ställe waren an der Seite. Holmes hatte sich eben nach einem dieser Ausflüge wieder hingesetzt, als er plötzlich mit einem lauten Aufschrei von seinem Stuhl aufsprang.
»Himmel, Watson, ich glaube, ich hab’s!« rief er. »Ja, ja, so muß es sein. Watson, erinnern Sie sich, heute irgendwelche Kuhspuren gesehen zu haben?«
»Ja, etliche.«
»Wo?«
»Nun, überall. In dem Morast, dann wieder auf dem Pfad, und wieder in der Nähe der Stelle, wo der arme Heidegger ums Leben gekommen ist.«
»Ganz recht. Nun, also, Watson, und wieviele Kühe haben Sie im Moor gesehen?«
»Ich kann mich an keine einzige erinnern.«
»Seltsam, Watson, daß wir überall auf unserem Weg die Spuren, im ganzen Moor aber keine einzige Kuh gesehen haben sollten; sehr seltsam, oder?«
»Ja, das ist seltsam.«
»Nun strengen Sie sich an, Watson: denken Sie zurück! Sehen Sie diese Spuren auf dem Weg vor sich?«
»Ja, die sehe ich.«
»Erinnern Sie sich, daß diese Spuren manchmal so ausgesehen haben, Watson« – er ordnete ein paar Brotkrumen folgendermaßen an – : : : : : – »und manchmal so« – : · : · : · : · – »und gelegentlich so« – . · . · . ·
»Erinnern Sie sich daran?«
»Nein.«
»Aber ich. Ich könnte es beschwören. Aber wenn wir Zeit haben, werden wir zurückgehen und es überprüfen. Wie stockblind muß ich gewesen sein, daß ich nicht gleich meine Schlüsse daraus gezogen habe!«
»Und worin bestehen Ihre Schlüsse?«
»Nur darin, daß es eine bemerkenswerte Kuh sein muß, die schreiten, kantern und galoppieren kann. Donnerwetter, Watson, das war nicht das Hirn eines ländlichen Gastwirts, das einen solchen Kniff erdacht hat! Die Luft ist anscheinend rein, bis auf diesen Kerl in der Schmiede. Schlüpfen wir mal hinaus und sehen, was wir finden können.«
In dem baufälligen Stall standen zwei rauhhaarige, ungepflegte Pferde. Holmes hob das Hinterbein des einen an und lachte laut.
»Alte Hufeisen, aber frisch beschlagen – alte Hufe, aber neue Nägel. Dieser Fall verdient, ein Klassiker zu werden. Gehen wir mal in die Schmiede.«
Der Bursche setzte seine Arbeit fort, ohne uns zu beachten. Ich sah Holmes’ Blicke nach rechts und links in das Chaos von Eisen und Holz schießen, das auf dem Boden ausgebreitet war. Plötzlich hörten wir jedoch hinter uns Schritte, und der Wirt tauchte auf: Seine schweren Augenbrauen hingen tief über seinen wilden Augen, und seine dunklen Züge waren wutverzerrt.
Er hatte einen kurzen Stock mit Metallkopf in der Hand und kam auf so bedrohliche Art näher, daß ich recht froh war, den Revolver in meiner Tasche zu spüren.
»Ihr widerlichen Spitzel!« schrie der Mann. »Was macht ihr da?«
»Nun, Mr. Reuben Hayes«,
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