Die Rückkehr des Sherlock Holmes
es noch mehr?«
Stanley Hopkins zog ein schäbiggraues Notizbuch aus der Tasche. Der Umschlag war rissig und abgeschabt, die Blätter verfärbt. Auf der ersten Seite standen die Initialen ›J.H.N.‹ und die Jahreszahl ›i883‹. Holmes legte es vor sich auf den Tisch und untersuchte es auf seine eingehende Art, während Hopkins und ich ihm über die Schulter sahen. Auf der zweiten Seite standen die Buchstaben ›C.P.R.‹, und dann kamen mehrere Blätter voller Zahlen. Verschiedene Überschriften lauteten ›Argentinien‹, ›Costa Rica‹ oder ›São Paulo‹, denen jeweils Seiten voller Zahlen und Figuren folgten.
»Was halten Sie davon?« fragte Holmes.
»Es scheint sich um Listen von Börsen-Wertpapieren zu handeln. Ich halte ›J.H.N.‹ für die Initialen eines Maklers, und dieser ›C.P.R.‹ könnte sein Klient gewesen sein.«
»Versuchen Sie es einmal mit Canadian Pacific Railway«, sagte Holmes.
Stanley Hopkins fluchte zwischen seinen Zähnen und hieb sich mit der Faust auf den Schenkel.
»Was für ein Narr ich war!« rief er. »Es ist natürlich genau, wie Sie sagen. Dann bleiben uns nur noch die Initialen ›J.H.N.‹ zu lösen. Ich habe die alten Börsenlisten bereits durchforstet, aber im Jahr 1883 gab es weder an der Londoner Börse noch sonst irgendwo außerhalb einen Makler, dessen Initialen mit diesen übereinstimmen. Und doch habe ich das Gefühl, daß dieser Anhaltspunkt der wichtigste ist, den ich habe. Sie werden zugeben, Mr. Holmes, es besteht die Möglichkeit, daß diese Initialen zu jener zweiten anwesenden Person gehören – mit andern Worten: dem Mörder. Außerdem möchte ich betonen, daß das Auftauchen eines auf eine beträchtliche Menge wertvoller Effekten bezüglichen Dokuments in diesem Fall uns den ersten Hinweis auf ein Motiv für dieses Verbrechen an die Hand gibt.«
Sherlock Holmes war anzusehen, daß er von dieser neuen Entwicklung völlig aus der Fassung gebracht war.
»Ich stimme Ihnen in beiden Punkten zu«, sagte er. »Ich muß gestehen, daß dieses Notizbuch, von dem im Untersuchungsbericht nicht die Rede war, meine ganzen bisherigen Überlegungen in einem anderen Licht erscheinen läßt. Ich hatte mir zu diesem Verbrechen eine Theorie gebildet, in der ich dafür keinen Platz finden kann. Haben Sie versucht, irgendwelche der hier verzeichneten Effekten aufzuspüren?«
»Hierzu laufen bereits Nachforschungen in den Kontoren, aber ich fürchte, daß sich das vollständige Verzeichnis der Aktienbesitzer dieser südamerikanischen Firmen in Südamerika befindet und noch einige Wochen vergehen werden, ehe wir die Anteile aufspüren können.«
Holmes hatte den Umschlag des Notizbuchs mit seinem Vergrößerungsglas untersucht.
»Hier ist auf jeden Fall eine Verfärbung«, sagte er.
»Ja, Sir, ein Blutfleck. Wie gesagt, habe ich das Buch vom Boden aufgehoben;«
»War der Blutfleck oben oder unten?«
»Auf der dem Boden zugewandten Seite.«
»Was natürlich beweist, daß das Buch erst nach der Tat hingeworfen wurde.«
»Ganz recht, Mr. Holmes. Ich habe diesen Punkt beachtet und bin zu dem Schluß gekommen, daß der Mörder das Buch bei seiner hastigen Flucht hat fallen lassen. Es lag in der Nähe der Tür.«
»Ich nehme an, keine dieser Effekten wurde im Besitz des Toten gefunden?«
»Stimmt, Sir.«
»Haben Sie irgendeinen Grund, einen Raubüberfall anzunehmen?«
»Nein, Sir. Es wurde offenbar nichts angerührt.«
»Meine Güte, wahrhaftig ein sehr interessanter Fall. Dann war da noch ein Messer, oder?«
»Ein Dolchmesser, steckte noch in der Scheide. Es lag zu Füßen des Toten. Mrs. Carey hat es als Eigentum ihres Mannes identifiziert.«
Holmes hing eine Weile seinen Gedanken nach.
»Nun«, sagte er schließlich, »ich denke, ich werde mal hinauskommen und mir das ansehen müssen.«
Stanley Hopkins stieß einen Freudenschrei aus.
»Danke, Sir. Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.«
Holmes hob vorwurfsvoll den Finger.
»Vor einer Woche wäre die Aufgabe leichter gewesen«, sagte er. »Aber auch jetzt ist mein Besuch vielleicht nicht vollkommen fruchtlos. Watson, sollten Sie die Zeit erübrigen können, würde ich mich sehr über Ihre Gesellschaft freuen. Wenn Sie uns inzwischen einen Wagen besorgen, Hopkins, werden wir in einer Viertelstunde zur Abfahrt nach Forest Row bereit sein.«
Nachdem wir an dem kleinen Bahnhof ausgestiegen waren, fuhren wir einige Meilen durch die Überreste ausgedehnter Wälder, die dereinst jenen riesigen Forst
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