Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Feldzug gegen Charles Augustus Milverton eröffnet hatte; doch träumte mir wenig von der seltsamen Form, die dieser Feldzug annehmen sollte.
Einige Tage lang kam und ging Holmes zu allen Tageszeiten in dieser Aufmachung, aber von einer Bemerkung abgesehen, daß er seine Zeit in Hampstead verbringe und daß er sie nicht vergeude, wußte ich nicht im geringsten, was er machte. Schließlich jedoch, an einem wilden, stürmischen Abend, da der Wind an den Fenstern heulte und rappelte, kam er von seinem letzten Ausflug zurück, und nachdem er seine Verkleidung abgelegt hatte, setzte er sich vor den Kamin und begann auf seine stille, nach innen gerichtete Art herzlich zu lachen.
»Sie würden mich doch nicht für einen der Heiratswilligen halten, Watson?«
»Nein, wahrhaftig nicht!«
»So werden Sie mit Interesse vernehmen, daß ich verlobt bin.«
»Alter Knabe! Ich beglück –«
»Mit Milvertons Hausmädchen.«
»Gütiger Himmel, Holmes!«
»Ich brauchte Informationen, Watson.«
»Sind Sie da nicht zu weit gegangen?«
»Der Schritt war durchaus notwendig. Ich bin Klempner mit aufstrebendem Geschäft, Escott mit Namen. Ich bin jeden Abend mit ihr ausgegangen und habe mit ihr gesprochen. Gütiger Himmel, diese Gespräche! Jedenfalls habe ich alles erfahren, was ich wissen mußte. Ich kenne jetzt Milvertons Haus wie meine Handfläche.«
»Aber das Mädchen, Holmes?«
Er zuckte die Schultern.
»Nichts zu machen, mein lieber Watson. Man muß seine Karten spielen, so gut man kann, wenn ein solcher Einsatz auf dem Tisch liegt. Ich freue mich jedoch, sagen zu können, daß ich einen verhaßten Rivalen habe, der mich gewiß in dem Moment, da ich den Rücken wende, ausstechen wird. Was für eine herrliche Nacht!«
»Das Wetter gefällt Ihnen?«
»Es kommt meinen Zwecken entgegen, Watson: Ich beabsichtige, heute nacht in Milvertons Haus einzubrechen.«
Mir stockte der Atem, und ein kalter Schauder überlief mich bei diesen Worten, die er gemessen und in einem Ton konzentrierter Entschlossenheit aussprach. So wie ein nächtlicher Blitz in einem Augenblick jede Einzelheit einer weiten Landschaft erkennen läßt, so schien ich mit einem einzigen Blick jedes mögliche Ergebnis einer solchen Tat vorauszusehen – das Ertapptwerden, die Festnahme, das unwiderrufliche Ende der ehrbaren Karriere in Schmach und Schande –: mein Freund dem widerwärtigen Milverton auf Gedeih und Verderb preisgegeben.
»Um Himmels willen, Holmes, bedenken Sie, was Sie tun!« rief ich.
»Mein lieber Mann, ich habe das genau durchdacht. Ich handle nie überstürzt, und ich würde auch nie zu einem so resoluten und wirklich gefährlichen Verfahren greifen, wenn irgendein anderes möglich wäre. Sehen wir uns die Sache klarer und deutlicher an. Sie werden wohl zugeben, daß die Tat moralisch gerechtfertigt ist, wenn auch technisch ein Verbrechen. In sein Haus einzubrechen ist nichts anderes als ihm sein Notizbuch mit Gewalt wegzunehmen – eine Tat, bei der Sie mir helfen wollten.«
Ich überlegte hin und her.
»Ja«, sagte ich; »es ist moralisch gerechtfertigt, solange wir nichts anderes wegnehmen wollen als solche Gegenstände, die einem ungesetzlichen Zweck dienen sollen.«
»Sehr richtig. Da es also moralisch gerechtfertigt ist, habe ich nur das Problem des persönlichen Risikos zu bedenken. Und dem sollte ein Gentleman doch gewiß nicht allzu viel Gewicht beimessen, wenn eine Lady auf seine Hilfe unbedingt angewiesen ist?«
»Es kann Sie Kopf und Kragen kosten.«
»Nun, das gehört zum Risiko. Ein anderer Weg, die Briefe wiederzuerlangen, ist nicht möglich. Die unglückliche Lady hat das Geld nicht, und sie kann sich keinem aus ihrer Familie anvertrauen. Morgen läuft die Frist ab, und wenn wir heute nacht nicht an die Briefe kommen, wird dieser Schurke sein Versprechen wahr machen und sie zugrunderichten. Ich muß daher entweder meine Klientin ihrem Schicksal überlassen oder diese letzte Karte spielen. Unter uns, Watson: Es ist ein faires Duell zwischen diesem Milverton und mir. Beim ersten Schlagabtausch hat er, wie Sie gesehen haben, die Oberhand behalten; aber meine Selbstachtung und mein Ruf verlangen, daß ich es bis zum Ende durchkämpfe.«
»Nun, es gefällt mir zwar nicht; aber es muß wohl sein«, sagte ich. »Wann gehen wir los?«
»Sie kommen nicht mit.«
»Dann gehen Sie auch nicht«, sagte ich. »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort – und das habe ich noch nie gebrochen –, daß ich mit einem Wagen geradewegs zur
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