Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Polizei fahren und Sie verpfeifen werde, wenn Sie mich nicht an diesem Wagnis teilnehmen lassen.«
»Sie können mir nicht helfen.«
»Woher wollen Sie das wissen? Sie können gar nicht absehen, was da passieren kann. Mein Entschluß steht jedenfalls fest. Auch andere Leute als Sie haben Selbstachtung und sogar einen Ruf.«
Holmes hatte erst verärgert dreingeblickt, doch jetzt hellte seine Stirn sich auf, und er klopfte mir auf die Schulter.
»Nun, nun, mein Lieber, also gut. Wir haben uns einige Jahre in dasselbe Zimmer geteilt, und es wäre ganz amüsant, wenn wir uns am Ende auch in dieselbe Zelle teilen würden. Wissen Sie, Watson, ich gestehe Ihnen gern, daß ich schon immer die Vorstellung hatte, ich hätte einen höchst tüchtigen Verbrecher abgeben können. Dies ist die Chance meines Lebens in dieser Richtung. Sehen Sie hier!« Er holte ein hübsches kleines Lederköfferchen aus der Schublade, öffnete es und zeigte mir eine Reihe glänzender Instrumente. »Dies ist eine erstklassige, hochmoderne Einbrecherausrüstung mit vernickeltem Stemmeisen, Glasschneider mit Diamantspitze, verstellbaren Schlüsseln und sämtlichen neuen Verfeinerungen, die der Fortschritt der Zivilisation erfordert. Und hier habe ich auch meine Blendlaterne. Es ist alles in Ordnung. Haben Sie ein Paar leise Schuhe?«
»Ja, Tennisschuhe mit Gummisohle.«
»Ausgezeichnet. Und eine Maske?«
»Ich kann zwei aus schwarzer Seide anfertigen.«
»Ich sehe, Sie besitzen eine starke natürliche Veranlagung zu solchen Dingen. Sehr schön; machen Sie die Masken. Bevor wir losgehen, werden wir noch kalt zu abend essen. Es ist jetzt neun Uhr dreißig. Um elf werden wir bis zur Church Row fahren. Von dort ist es zu Fuß eine Viertelstunde bis zu den Appledore Towers. Wir werden also vor Mitternacht an der Arbeit sein. Milverton hat einen sehr tiefen Schlaf und legt sich pünktlich um zehn Uhr dreißig hin. Mit etwas Glück dürften wir um zwei mit Lady Evas Briefen in meiner Tasche wieder zurück sein.«
Holmes und ich zogen unsere Gesellschaftsanzüge an, so daß wir wie zwei Theaterbesucher auf dem Heimweg aussehen mochten. In der Oxford Street nahmen wir eine Kutsche und ließen uns zu einer Adresse in Hampstead fahren. Hier entlohnten wir den Kutscher und wanderten mit zugeknöpften Mänteln – denn es war bitterkalt, und der Wind schien durch uns durch zu blasen – am Rand der Heath 21 entlang.
»Die Sache erfordert behutsames Vorgehen«, sagte Holmes. »Diese Dokumente befinden sich in einem Safe im Arbeitszimmer des Burschen, und das Arbeitszimmer ist der Vorraum seines Schlafzimmers. Andererseits ist er, wie alle diese kräftigen kleinen Männer, die es sich gut gehen lassen, ein unmäßiger Schläfer. Agatha – meine Verlobte – sagt, unter den Bediensteten gehe der Scherz um, es sei unmöglich, den Herrn zu wecken. Er hat einen Sekretär, der sich seinen Belangen widmet und tagsüber das Arbeitszimmer nie verläßt. Darum gehen wir nachts. Des weiteren hat er eine Bestie von einem Hund im Garten herumlaufen. Ich habe mich an den letzten beiden Abenden sehr spät mit Agatha getroffen, und sie sperrt das Untier ein, um mir den Weg freizumachen. Dies ist das Haus, das große da in dem Garten. Durchs Tor – jetzt nach rechts durch die Lorbeersträucher. Ich denke, wir sollten hier unsere Masken aufsetzen. Wie Sie sehen, ist in keinem der Fenster Licht; alles läuft hervorragend.«
Mit den schwarzen Seidenmasken vor dem Gesicht, die uns zu den trutzigsten Gestalten ganz Londons machten, stahlen wir uns auf das stille, finstere Haus zu. An einer Seite erstreckte sich eine Art überdachter Veranda, an der mehrere Fenster und zwei Türen lagen.
»Das ist das Schlafzimmer«, flüsterte Holmes. »Diese Tür geht direkt in sein Arbeitszimmer. Sie wäre für uns am günstigsten, aber sie ist verriegelt und verschlossen, und wir würden zu viel Lärm machen, wenn wir sie aufbrächen. Kommen Sie hier herum. Dort ist ein Gewächshaus, von wo aus man in den Salon gelangt.«
Das Haus war abgeschlossen, aber Holmes entfernte ein rundes Stück Glas und drehte den Schlüssel von innen herum. Einen Augenblick darauf hatte er die Tür hinter uns geschlossen, und in den Augen des Gesetzes waren wir zu Verbrechern geworden. Die dicke warme Treibhausluft und der üppige, erstickende Duft exotischer Pflanzen benahm uns den Atem. Er griff im Dunkeln nach meiner Hand und führte mich rasch an Reihen von Sträuchern vorbei, die uns ins Gesicht
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