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Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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erstanden, zwei Häuser neben der High Street Station. Meine journalistische Arbeit geschieht zum großen Teil nachts, und häufig schreibe ich bis in den frühen Morgen. So war es auch heute. Ich saß in meiner Bude, die hinten im obersten Stockwerk des Hauses liegt; es war ungefähr drei Uhr, als ich davon überzeugt war, unten irgendwelche Geräusche gehört zu haben. Ich lauschte, aber sie wiederholten sich nicht, und so nahm ich an, daß sie von draußen gekommen waren. Fünf Minuten später ertönte plötzlich ein ganz entsetzlicher Schrei – das furchtbarste Gebrüll, das ich je gehört habe, Mr. Holmes. Es wird mir mein Leben lang in den Ohren klingen. Ein paar Minuten saß ich vor Schreck erstarrt da. Dann packte ich den Schürhaken und ging nach unten. Als ich dieses Zimmer betrat, stand das Fenster weit offen, und mir fiel sofort auf, daß die Büste vom Kaminsims verschwunden war. Warum irgendein Einbrecher so etwas mitnehmen sollte, übersteigt mein Verständnis, denn es war nur ein Gipsmodell und von keinerlei realem Wert.
    Wie Sie sich selbst überzeugen können, kann jeder, der aus diesem offenen Fenster klettert, mit einem weiten Schritt die Eingangstreppe erreichen. Offensichtlich hatte der Einbrecher eben dies getan, weshalb ich herumging und die Tür aufmachte. Als ich ins Dunkle heraustrat, fiel ich beinahe über einen Toten, der dort lag. Ich lief zurück, um Licht zu holen, und da lag dieser arme Bursche mit einer klaffenden Wunde im Hals, und alles war voller Blut. Er lag auf dem Rücken, die Knie angezogen und den Mund entsetzlich aufgerissen. Das wird mich noch in meinen Träumen verfolgen. Ich hatte gerade noch Zeit, auf meiner Polizeipfeife zu blasen, dann muß ich in Ohnmacht gefallen sein, denn ich weiß nichts mehr, bis dieser Polizist im Flur über mir stand.«
    »Nun, wer war der Ermordete?« fragte Holmes.
    »Auf seine Identität weist nichts hin«, sagte Lestrade. »Sie werden die Leiche im Schauhaus sehen, aber bis jetzt haben wir noch nichts ermitteln können. Es handelt sich um einen großen Mann, sonnenverbrannt, sehr kräftig, nicht älter als dreißig. Er ist ärmlich gekleidet, wirkt aber doch nicht wie ein Arbeiter. In der Blutlache neben ihm lag ein Federmesser mit Horngriff. Ob dies die Tatwaffe war oder ob es dem Toten gehörte, weiß ich nicht. An seiner Kleidung befand sich kein Name, und in seinen Taschen nichts als ein Apfel, eine Schnur, ein Stadtplan von London und eine Photographie. Und zwar diese hier.«
    Es war offenbar ein mit einer kleinen Kamera aufgenommener Schnappschuß. Er zeigte einen vitalen, affenähnlichen Mann mit scharfen Zügen, dichten Augenbrauen und einer sehr eigenartig vorstehenden unteren Gesichtshälfte – wie die Schnauze eines Pavians.
    »Und was ist aus der Büste geworden?« fragte Holmes nach einer sorgfältigen Untersuchung dieses Bildes.
    »Kurz bevor Sie kamen, haben wir es erfahren. Sie wurde im Vorgarten eines leerstehenden Hauses in der Campden House Road gefunden. Sie war zerbrochen. Ich gehe jetzt rüber, um sie mir anzusehen. Kommen Sie mit?«
    »Natürlich. Ich will mich nur einmal hier umsehen.« Er untersuchte den Teppich und das Fenster. »Entweder hatte der Kerl sehr lange Beine, oder er war sehr behende«, sagte er. »Mit dem Lichtschacht darunter war es kein kleines Kunststück, auf diesen Fenstersims zu kommen und das Fenster zu öffnen. Der Rückweg war verhältnismäßig einfach. Wollen Sie uns begleiten und sich die Überreste Ihrer Büste ansehen, Mr. Harker?«
    Der untröstliche Journalist hatte sich an einen Schreibtisch gesetzt.
    »Ich muß versuchen, noch etwas daraus zu machen«, sagte er, »obwohl die ersten Ausgaben der Abendzeitung zweifellos schon mit sämtlichen Einzelheiten erschienen sind. Das sieht mir ähnlich! Erinnern Sie sich, wie in Doncaster die Tribüne eingestürzt ist? Nun, ich war der einzige Journalist da und meine Zeitung die einzige, die von diesem Ereignis nichts berichtet hat, weil ich zu erschüttert war, darüber zu schreiben. Und jetzt werde ich mit einem Mord, der sich vor meiner eigenen Haustür ereignet hat, zu spät kommen.«
    Als wir das Zimmer verließen, hörten wir seine Feder durchdringend über das Kanzleipapier kritzeln.
    Die Stelle, an der man die Bruchstücke der Büste gefunden hatte, war nur ein paar hundert Yards weit entfernt. Zum ersten Mal ruhten unsere Augen auf dieser Darstellung des großen Kaisers, die in dem Geist des Unbekannten einen solch rasenden und

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