Die Rückkehr des Tanzlehrers
ziemlich häufig vor, daß Pärchen dort anhalten und knutschen.«
Die Männer, die um den Tisch versammelt saßen, brachen in Gelächter aus.
»Zuweilen kommt es da natürlich auch zu bedeutend delikateren Situationen«, fügte er hinzu. »Früher hat sich derlei auf abgelegenen Waldwegen abgespielt und den Amtsgerichten in der Gegend einen Haufen Vaterschaftsklagen beschert.«
»Auf jeden Fall muß jemand diesen Mann gesehen haben«, sagte Giuseppe. »Auf der Kreditkartenquittung stand Fernando Hereira.«
»Ich habe gerade mit Östersund gesprochen«, sagte Rundström, der bis dahin still gewesen war und Giuseppe die Führung der Sitzung überlassen hatte. »Sie haben den Namen durch alle Register laufen lassen und einen Fernando Hereira in Västeras gefunden. Er wurde vor ein paar Jahren wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Aber er ist jetzt über siebzig, und wir können wohl davon ausgehen, daß das nicht unser Mann ist.«
»Ich kann zwar kein Spanisch«, sagte Giuseppe, »aber Fernando Hereira hört sich für mich nach einem ganz gewöhnlichen Namen an.«
»Wie meiner«, meinte Erik Johansson. »Jeder zweite Arsch heißt Erik, zumindest in meiner Generation und hier oben in Norrland.«
»Wir wissen noch nicht, ob es sein richtiger Name ist«, fuhr Giuseppe fort.
»Wir werden über Interpol nach ihm fahnden lassen«, erwiderte Rundström, »wir müssen nur erst die Fingerabdrücke haben.«
Plötzlich klingelten mehrere Mobiltelefone gleichzeitig. Giuseppe stand auf und schlug vor, zehn Minuten Pause zu machen. Gleichzeitig machte er Stefan ein Zeichen, mit hinaus in den Flur zu kommen. Sie setzten sich in die Anmeldung des Bürgerhauses.
Giuseppe betrachtete den ausgestopften Bären. »Ich habe einmal einen Bären gesehen«, sagte er nachdenklich. »Irgendwo bei Krokom. Ich hatte mit ein paar Schwarzbrennern zu tun und war auf dem Rückweg nach Östersund. Ich erinnere mich noch, daß ich im Wagen saß und an meinen Vater dachte. Ich habe lange geglaubt, es wäre dieser Italiener gewesen, aber als ich zwölf war, erzählte mir meine Mutter, daß es ein Kerl aus Änge gewesen ist, der sich einfach aus dem Staub gemacht hat, als sie schwanger wurde. Und plötzlich stand da dieser Bär am Straßenrand. Ich machte eine Vollbremsung und dachte, verdammt, das kann doch nicht wahr sein, steht da ein Bär. Es ist nur ein Schatten. Oder ein Stein. Aber es war tatsächlich ein Bär. Ein weibliches Tier. Der Pelz war vollkommen glatt. Ich habe ihn eine Minute oder so gesehen. Länger nicht. Dann verschwand er. Ich weiß noch, daß ich gedacht habe, so etwas gibt es nicht. Und wenn, dann nur ein einziges Mal im Leben. Wie ein Vierer beim Poker. Das ist Erik mal passiert, vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Alle anderen hatten ein Scheißblatt, und es lag nur ein Fünfer im Pott. Keiner hatte irgendwas, und alle warfen ab.«
Giuseppe streckte sich und gähnte. Dann wurde er wieder ernst. »Ich habe noch mal über unser Gespräch nachgedacht«, sagte er. »Darüber, daß wir vielleicht anders denken und zwei verschiedene Täter suchen sollten. Ich gebe gern zu, daß es mir schwerfällt, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Er kommt mir zu unwahrscheinlich vor. Zu großstadtmäßig, wenn du weißt, was ich meine. Hier draußen in der Wildnis laufen die Dinge für gewöhnlich auf eine andere Art und Weise ab. Ein bißchen einfacher. Gleichzeitig sehe ich ein, daß vieles dafür spricht, daß du recht hast. Ich habe das vor der Sitzung schon bei Rundström angesprochen.«
»Und was hat er gesagt?«
»Rundström ist ein Pragmatiker, der nie an irgend etwas glaubt. Nie spekuliert. Sich nie um etwas anderes kümmert als um Fakten. Aber man darf ihn nicht unterschätzen. Er hat einen guten Blick. Sowohl für die Stolpersteine als auch für die Möglichkeiten.«
Er verstummte, während ein paar Kinder auf dem Weg zur Bibliothek vorübergingen.
»Ich habe versucht, im Kopf eine Karte zu zeichnen«, fuhr er dann fort. »Ein Mann, der gebrochen Englisch spricht, taucht hier auf und tötet Herbert Molin. Von der Geschichte, die seine Tochter uns erzählt hat, daß er bei irgendeiner Frau in England Schulden gehabt haben soll, halte ich gar nichts. Es kann dagegen sehr gut sein, daß sich hinter der Tat ein Motiv verbirgt, das weit zurück in der Vergangenheit liegt. Im Zweiten Weltkrieg. Besonders wenn man dieses gräßliche Tagebuch liest. Die Brutalität und die Raserei deuten auf einen Racheakt hin. Soweit kann es
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