Die Rückkehr des Tanzlehrers
sehen bestimmt ein, daß ich das als Polizeibeamter nicht machen dürfte.«
»Kann ich Ihnen vertrauen?«
»Sie haben kaum eine Wahl.«
Hereira zögerte. Dann stand er auf und riß den Klebestreifen ab, der Stefan an den Stuhl gefesselt hielt. »Wir müssen einander vertrauen«, sagte er. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Stefan fühlte sich schwindelig, als er auf die Tür zuging. Seine Beine waren steif, und der Nacken schmerzte.
»Ich warte darauf, daß sie anruft«, sagte Hereira. »Wir reden vielleicht eine Stunde miteinander. Dann können Sie Ihren Kollegen sagen, wo ich bin.«
Bevor er das Haus verließ, schrieb Stefan Elsa Berggrens Telefonnummer auf einen Zettel. Dann ging er über die Brük-ke. Er blieb an der Stelle stehen, an der in einigen Stunden ein Taucher nach dem Gewehr suchen sollte, das möglicherweise auf dem Grund des Flusses lag. Obwohl er müde war, versuchte er, klar zu denken. Fernando Hereira hatte einen Mord begangen. Aber es hatte fast flehentlich geklungen, aufrichtig, als er Stefan versichert hatte, daß er mit Herbert Molins Tochter nur sprechen wollte. Sie sollte verstehen, wenn er sie um Vergebung bat. Stefan fragte sich erneut, ob Veronica Molin und ihr Bruder die Nacht in Östersund verbracht hatten. Dann würde er bei den verschiedenen Hotels herumtelefonieren müssen, um sie zu suchen.
Als er ins Hotel zurückkehrte, war es halb sieben. Er klopfte an Veronica Molins Tür. Sie öffnete so schnell, daß er fast zurückschrak. Sie war schon angezogen. Im Hintergrund erkannte er den erleuchteten Bildschirm ihres Laptops.
»Obwohl es so früh ist, muß ich mit Ihnen sprechen. Ich dachte, Ihr Bruder und Sie wären in Östersund geblieben, weil es schneit.«
»Mein Bruder ist überhaupt nicht gekommen.«
»Warum nicht?«
»Er hat es sich anders überlegt. Er rief an. Er will nicht auf die Beerdigung gehen. Ich bin spät in der Nacht zurückgekommen. Was ist denn so dringend?«
Stefan begann zur Rezeption zurückzugehen. Sie folgte ihm. Als sie sich gesetzt hatten, erzählte er ohne Umschweife, was in der Nacht geschehen war, daß der Mörder ihres Vaters, Fernando Hereira, in Elsa Berggrens Haus saß und auf ihren Anruf und vielleicht auf ihre Vergebung wartete.
»Er wollte Sie treffen«, schloß Stefan. »Aber das konnte ich natürlich nicht zulassen.«
»Ich habe keine Angst«, sagte sie nach einer Weile, »aber ich wäre natürlich nie hingegangen. Weiß jemand außer Ihnen von der Sache?«
»Niemand.«
»Nicht einmal Ihre Kollegen?«
»Niemand.«
Sie saß schweigend da und sah ihn an. »Ich werde mit ihm sprechen, aber ich möchte allein sein, wenn ich ihn anrufe. Wenn das Gespräch beendet ist, klopfe ich an Ihre Tür.«
Stefan gab ihr den Zettel mit der Telefonnummer. Dann verließ er sie und ging hinauf in sein Zimmer. Als er die Tür öffnete, dachte er, daß sie vielleicht schon mit Hereira sprach. Stefan sah auf seine Uhr. In zwanzig Minuten würde er Giuseppe anrufen und ihm mitteilen, wo Hereira sich befand.
Auf der Toilette war kein Klopapier mehr. Er ging wieder zurück zur Rezeption.
Da sah er sie durchs Fenster. Veronica Molin. Draußen auf der Straße. Sie war in großer Eile.
Er blieb wie angewurzelt stehen. Versuchte zu begreifen. Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich. Er bezweifelte nicht, daß Veronica Molin auf dem Weg zu Fernando Hereira war. Er hätte es wissen müssen. Der Zusammenhang, der eigentlich in direktem Gegensatz zu dem stand, was er zuvor geglaubt hatte.
Da war etwas mit ihrem Computer, dachte er. Etwas, was sie gesagt hat. Vielleicht etwas, was ich gedacht habe, ohne mir richtig klarzumachen, was der Gedanke bedeutete. Die Unruhe wuchs zu einer Woge, die sich plötzlich vor ihm auftürmte.
Er wandte sich an das Mädchen aus der Rezeption, das auf dem Weg die Treppe hinunter in den Speisesaal war. »Veronica Molins Schlüssel«, sagte er. »Geben Sie ihn mir.«
Sie blickte ihn verständnislos an. »Sie ist gerade rausgegangen.«
»Deswegen brauche ich den Schlüssel.«
»Den kann ich Ihnen nicht geben.«
Stefan schlug mit der Faust auf den Tresen. »Ich bin Polizist«, schrie er. »Geben Sie mir den Schlüssel!«
Sie nahm den Schlüssel vom Wandbrett. Er riß ihn an sich, lief durch den Korridor zu Veronica Molins Zimmer und schloß auf. Sie hatte den Laptop nicht ausgeschaltet. Der Bildschirm flimmerte. Er starrte mit Entsetzen darauf.
Plötzlich sah er es klar vor sich.
Wie alles
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