Die Rückkehr des Tanzlehrers
um sich aus dem brennenden Berlin zu retten.
Als Giuseppe ins Hotel kam, war er müde. Dennoch mußte er lachen, als er sich an den Tisch setzte. Das Restaurant sollte bald schließen. Das Mädchen, das zwischen Rezeption und Speisesaal pendelte, deckte schon die Tische für das Frühstück am folgenden Tag. Außer Stefan und Giuseppe war nur ein weiterer Gast im Speisesaal. Ein Mann, der an einem der Tische an der Wand saß. Stefan nahm an, daß es einer der Testfahrer war, auch wenn er den Eindruck erweckte, als sei er zu alt, um in unwegsamem Gelände Auto zu fahren.
»Als ich jünger war, bin ich öfter ins Restaurant gegangen«, sagte Giuseppe als Erklärung, warum er gelacht hatte.
»Jetzt kommt es nur noch vor, wenn ich irgendwo übernachten muß. Wenn ich ein Gewaltverbrechen oder etwas ähnlich Unangenehmes aufzuklären habe.«
Während des Essens erzählte Giuseppe, was sich im Laufe des Tages ereignet hatte. Was er sagte, ließ sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen: »Nichts.«
»Wir treten auf der Stelle«, schloß er. »Wir finden keine Spuren. Niemand hat irgendwelche Beobachtungen gemacht. Obwohl wir bereits mit vier oder fünf Personen gesprochen haben, die im Laufe des Abends auf der Straße vorbeigefahren sind. Rundström und ich fragen uns jetzt, ob nicht doch ein Zusammenhang zwischen Abraham Anderssons und Herbert Molins Tod besteht. Doch wenn es keinen gibt? Was ist es dann?«
Nach dem Essen bestellte Giuseppe Tee. Stefan entschied sich für Kaffee. Dann erzählte er von seinem Besuch bei Elsa Berggren. Von seinem Einbruch bei ihr und davon, wie er das Tagebuch in Herbert Molins Schuppen gefunden hatte. Er schob die Kaffeetasse zur Seite und legte die Briefe, die Fotos und das Tagebuch vor Giuseppe auf den Tisch.
»Jetzt bist du zu weit gegangen«, sagte Giuseppe verärgert. »Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, daß du nicht mehr auf eigene Faust ermittelst!«
»Ich kann nur sagen, daß es mir leid tut.«
»Stell dir nur vor, was passiert wäre, wenn Elsa Berggren dich entdeckt hätte!«
Stefan hatte keine Antwort.
»Das geschieht nicht noch einmal«, sagte Giuseppe nach einer Weile. »Es wird das beste sein, Rundström nichts von deinem abendlichen Besuch zu erzählen. Er reagiert bei solchen Dingen ein bißchen empfindlich. Es soll nach Möglichkeit alles nach Vorschrift gehen. Und wie du schon gemerkt hast, ist er nicht gerade begeistert davon, daß jemand von außerhalb in seinen Ermittlungen herumtrampelt. Ich sage >seine< Ermittlungen, weil er die Unart hat, schwere Gewaltverbrechen als seine persönliche Angelegenheit zu betrachten.«
»Was ist, wenn Erik Johansson ihm etwas von meinen früheren Besuchen erzählt? Obwohl er behauptet hat, daß er es für sich behalten würde?«
Giuseppe schüttelte den Kopf. »Erik Johansson ist von Rundström nicht unbedingt angetan«, erwiderte er. »Man darf die Tatsache nicht unterschätzen, daß es sowohl Spannungen zwischen einzelnen Personen als auch zwischen benachbarten Landschaften geben kann. In Härjedalen hört man zum Beispiel sehr ungern, man sei der kleine Bruder des großen Jämt-land. Solche Probleme existieren auch zwischen Polizisten.«
Er goß sich aus der Teekanne nach und schaute auf die Fotos. »Das ist eine sonderbare Geschichte, die du da erzählt hast«, meinte er. »Herbert Molin ist also organisierter Nazi gewesen und hat für Hitler gekämpft. Unterscharführer. Was heißt das? Hatte er mit der Gestapo zu tun? Den Konzentrationslagern? Was stand noch über dem Eingang von Auschwitz? Arbeit macht frei.«
»Ich weiß nicht viel über den Nationalsozialismus«, antwortete Stefan, »aber ich nehme an, daß man nicht laut darüber spricht, wenn man zu Hitlers Gefolgschaft gehört hat. Herbert Molin hat seinen Namen geändert. Jetzt haben wir vielleicht die Erklärung dafür. Er hat seine Spuren verwischt.«
Giuseppe hatte die Rechnung verlangt und bezahlt. Jetzt nahm er einen Stift und schrieb auf die Rückseite Herbert Molin. »Ich kann besser denken, wenn ich schreibe«, erklärte er. »August Mattson-Herzen verwandelt sich in Herbert Molin. Du hast von seiner Angst gesprochen. Man kann es also so verstehen, daß er Angst davor hatte, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden. Hast du mit seiner Tochter gesprochen?«
»Veronica Molin hat mit keinem Wort erwähnt, daß ihr Vater Nazi war. Aber ich habe auch nicht danach gefragt.«
»Ich nehme an, es ist wie mit Menschen, die ein Verbrechen
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