Die Rückkehr des Tanzlehrers
Elternhaus zu Besuch. Wir wohnten damals in Stockholm. Ich erinnere mich noch immer daran, wie meine Mutter mich mitnahm, wenn die Frauen des nationalsozialistischen Frauenbundes Kristina Gyllenstierna durch Östermalm marschierten. Ich mache seit meinem zehnten Lebensjahr den Hitlergruß. Meine Eltern sahen, was los war. Der Judenimport. Der Verfall. Die moralische Auflösung. Die Bedrohung durch den Kommunismus. Nichts hat sich geändert. Heutzutage wird Schweden durch die unkontrollierte Einwanderung von innen heraus zerfressen. Allein der Gedanke, daß auf schwedischem Boden Moscheen gebaut werden, bereitet mir Übelkeit. Schweden ist eine Gesellschaft, die verrottet. Und niemand tut etwas dagegen.«
Sie war dermaßen empört, daß sie zu zittern begann. Stefan fragte sich unangenehm berührt, woher ihr Haß kommen mochte.
»Das sind nicht eben angenehme Ansichten«, sagte Giuseppe.
»Ich stehe für jedes Wort ein. Schweden ist eine Gesellschaft, die kaum noch existiert. Man kann denjenigen gegenüber nichts anderes als Haß empfinden, die das haben geschehen lassen.«
»Es war also kein Zufall, daß Herbert Molin hierhergezogen ist?«
»Natürlich nicht. In den schweren Zeiten, die herrschen, haben wir, die wir die alten Ideale am Leben erhalten, die Pflicht, einander zu helfen.«
»Es gibt also doch eine Organisation?«
»Nein. Aber wir wissen, wer die richtigen Freunde sind.«
»Sie halten es geheim?«
Sie schnaubte vor Verachtung. »Eine vaterländische Gesinnung zu haben ist heutzutage ja fast strafbar. Wenn wir in Frieden leben wollen, müssen wir unsere Ansichten verbergen.«
»Aber nun hat jemand Herbert Molin aufgespürt und ihn getötet.«
»Warum sollte das mit seiner patriotischen Haltung in Zusammenhang stehen?«
»Das haben Sie selbst gesagt. Sie sind gezwungen, mit ihren wahnsinnigen Ideen im Verborgenen zu leben.«
»Es muß einen anderen Grund dafür geben, daß er ermordet worden ist.«
»Welchen zum Beispiel?«
»So gut habe ich ihn nicht gekannt.«
»Aber Sie werden sich doch Gedanken gemacht haben.«
»Natürlich. Es ist mir unbegreiflich.«
»Ist in der letzten Zeit etwas passiert? Hat er sich anders verhalten?«
»Ich habe ihn nur einmal in der Woche besucht. Er war wie immer.«
»Er hat nicht gesagt, daß ihn etwas beunruhigte?«
»Nein.«
Giuseppe verstummte. Stefan hatte den Eindruck, daß Elsa Berggren die Wahrheit sagte. Sie hatte bei Herbert Molin keine Veränderung bemerkt.
»Was ist denn mit Abraham Andersson passiert?« fragte sie.
»Er ist erschossen worden. Es hat den Anschein, als sei es eine Art Hinrichtung gewesen. Gehörte er auch zu Ihrer Gruppe, die keine Gruppe ist?«
»Nein. Herbert hat manchmal mit ihm geredet. Aber er hat nie über Politik diskutiert. Er war sehr vorsichtig. Er hatte wenig wirkliche Freunde.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer Abraham Andersson getötet haben könnte?«
»Ich kannte ihn nicht.«
»Können Sie mir sagen, wer Herbert Molin am nächsten gestanden hat?«
»Ich nehme an, ich. Und seine Kinder. Zumindest die Tochter. Das Verhältnis zu seinem Sohn war abgebrochen.«
»Von wem aus?«
»Das weiß ich nicht.«
»Und sonst? Haben Sie ihn einmal von jemandem namens Wetterstedt reden hören?«
Sie zögerte, bevor sie antwortete. Giuseppe und Stefan wechselten einen schnellen Blick. Es war offensichtlich, daß sie sich wunderte, den Namen Wetterstedt zu hören.
»Er hat manchmal von einer Person dieses Namens in Kalmar gesprochen. Herbert ist dort geboren und aufgewachsen. Wetterstedt ist wohl mit einem früheren Justizminister verwandt gewesen. Dem, der vor ein paar Jahren ebenfalls ermordet wurde. Ich glaube, er ist Porträtmaler. Aber ich bin mir nicht sicher.«
Giuseppe hatte einen Notizblock hervorgezogen und notierte, was sie sagte. »Und sonst niemand?«
»Nein. Herbert war keiner, der unnötige Worte machte.«
Giuseppe sah Stefan an. »Eine Frage«, sagte er dann. »Pflegten Sie mit Herbert Molin eine Sohle aufs Parkett zu legen, wenn Sie ihn besuchten?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich möchte wissen, ob Sie häufiger mit ihm getanzt haben.«
Zum drittenmal im Laufe des Gesprächs sah sie ehrlich verwirrt aus. »Allerdings. Das habe ich.«
»Tango?«
»Nicht nur, aber oft. Auch die alten Gesellschaftstänze, die Technik und ein Minimum an Verfeinerung erfordern, sind im Verschwinden begriffen. Wie tanzt man denn heute? Wie die Affen!«
»Sie wissen natürlich, daß Herbert Molin eine Tanzpuppe
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