Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
glaube ich. Die Insequenten und die Elohim. Der Vizard hoffte, die richtige Tür würde die Elohim anlocken und nicht wieder hinauslassen. Und wenn wir genug darüber sprächen, wüsste ich vielleicht, wie sie zu bauen wäre. Aber ich habe nie richtig zugehört. Ich konnte ihn nämlich nicht leiden, und die ganze Sache ist mir unsinnig erschienen. Ich konnte nicht verstehen, warum er die Elohim hasste. Er schien keinen Grund dafür zu haben. Ich hatte den Eindruck, er versuche nur, größer als der Theomach zu sein, und habe nicht weiter auf ihn geachtet.«
Nur noch ein paar Schritte, nicht mehr als ein Dutzend. Jeremiah konnte seine Unruhe nicht verbergen. Er hatte den roten Rennwagen hervorgeholt und spielte nervös damit, indem er ihn von einer Hand in die andere warf. Vor ihnen war Covenant wieder im Schatten verschwunden. Als die Sonne sich dem Horizont näherte, wurden die Schatten dunkler, sodass Linden kaum noch bestimmt sagen konnte, dass er dort vorn existierte. Und Jeremiah erweckte den Eindruck, als könne er jeden Augenblick scheuen und durchgehen, weil der Stress, mit ihr zu sprechen, ihn zu sehr belastete.
»Nur noch ein bisschen länger, Schatz«, sagte sie sanft drängend. »Ich merke schon, dass du dich in meiner Gesellschaft unwohl fühlst. Aber es gibt etwas, das ich erfahren muss. Ich weiß nicht, ob ich sonst weiter durchhalten kann.«
»Um was geht es denn?« Jeremiah war plötzlich ganz steif vor Misstrauen.
Linden riskierte es, einige Sekunden lang zu schweigen. Während ihre Stiefel im Schnee knirschten und der Stab immer wieder hart aufstampfte, sagte sie: »Du brauchst kein Wort zu sprechen. Du kannst es mir einfach zeigen.«
Einen halben Schritt vor ihr trat Jeremiah ins Sonnenlicht hinaus. Es war abendlich blass und dem Zwielicht nahe, aber nach der Dunkelheit im Schatten erschien es strahlend wie die Morgensonne. Sobald Linden selbst im Licht stand und ihren Sohn hell beleuchtet vor sich hatte, machte sie halt. Indem sie ihre Ängste auf den Stab stützte, sagte sie, als könne sie ihm Anweisungen geben: »Jeremiah, zieh deine Schlafanzugjacke aus. Lass mich dich ansehen. Ich muss wissen, ob du erschossen worden bist.«
Er warf sich herum, als habe sie ihn ins Gesicht geschlagen. Sein schlammiger Blick schien von Finsternis und Zorn aufgewühlt zu sein, die Muskeln im linken Augenwinkel zuckten im hektischen Rhythmus einer zum Kampf rufenden Kriegstrommel.
Linden wich erschrocken und ängstlich zurück, als habe ihr Sohn sie bedroht, aber er tat, wie ihm geheißen. Gewaltsam, fast brutal riss er die verbliebenen Knöpfe seiner dünnen Jacke auf, zog sie sich mit einem Ruck von den Schultern und warf sie in den Schnee vor seinen Füßen. Falls er die Kälte spürte, ließ er sich nichts anmerken.
Als habe Linden eine Übertretung gefordert, gegen die er sich nicht sträuben konnte, obwohl sie ihm zutiefst zuwider war, drehte er sich langsam um sich selbst und ließ sie seinen nackten Rücken ebenso inspizieren wie seinen Brustkorb. Aber seine Haut war viel zu schmutzig und fleckig. Hatte er Verletzungen erlitten, die ausgeheilt waren, konnte sie die Narben nicht entdecken.
Anscheinend erkannte er ihre Unsicherheit und deutete sie richtig. Er bückte sich abrupt, stieß beide Fäuste durch den Harsch und schaufelte darunter Schnee hervor. Dann klatschte er sich den Schnee auf Brust und Bauch und rieb ihn heftig ein, bis alle Spuren von Kampf und Folter abgewaschen waren.
Im schwindenden Tageslicht wirkte seine Haut so heil und gesund, als hätte Linden ihn selbst gebadet – als sei er der Sohn, den sie so viele Jahre lang geliebt und betreut hatte.
»Bist du zufrieden? «, fauchte er giftig. »Mama?«
O Gott. Linden drückte instinktiv den Stab an ihre Brust, bedeckte ihr Gesicht mit eisigen Händen. Jesus! Am Vortag – oder zehntausend Jahre weit in der Zukunft – hatte sie Jeremiah gefragt, ob er erschossen worden sei. Anfangs hatte er versucht, sich vor einer Antwort zu drücken. Dann hatte er ihr erklärt: Das weiß ich nicht bestimmt. Irgendein Schlag hat mich zu Boden geworfen, daran erinnere ich mich. Aber ich hatte keine Schmerzen.
Aber er war nicht erschossen worden. Irgendwie hatten Barton Lyttons Deputies ihn verfehlt. Stattdessen hatte er nur einen Schlag abbekommen, vielleicht von dem zusammenbrechenden Roger. Deshalb war er auf der Welt, in der er geboren war, in die er gehörte, am Leben geblieben. Sein Leben, sein natürliches Geburtsrecht, ließ sich noch
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