Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Sorgen. Ich gehe jetzt weiter. Du bleibst bitte hier. Ich muss eine Zeit lang allein sein. Überlegen die Meister sich die Sache anders – sollen die Gedemütigten feststellen, was ich tue –, versuchst du, mich irgendwie zu warnen.« Die Magie des Seewassers konnte bewirken, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnahm. »Wenn ich zurückkomme, sprechen wir noch einmal über diese Sache. Ich denke, du wirst den See mit eigenen Augen sehen wollen.« Sie starrte ihn an, bis er nickte. Dann wandte sie sich ab und machte sich allein an den Aufstieg.
    Mahrtiir schien fast augenblicklich aus ihrem Bewusstsein zu entgleiten. Ihre Erinnerungen an Covenant und den Glimmermere sangen in ihr, verdrängten alle anderen Überlegungen. Hier war sie einst geliebt worden. Dieses und ähnliche Erlebnisse hatten sie gelehrt, ihren Sohn reinen Herzens zu lieben. Sie musste in Erdkraft und Reinheit eintauchen, musste das Gefühl ihrer eigenen Identität zurückgewinnen. Erst dann konnte sie versuchen, sich Gehör zu verschaffen und Gehorsam einzufordern.
    Ihr Atem ging schwer, als sie über den Hügelrücken kam und unter sich den See liegen sah, an dem sie und Thomas Covenant eins gewesen waren. In vieler Hinsicht entsprach der Glimmermere genau dem Bild ihrer Erinnerung. Er war nicht groß; an der engsten Stelle hätte sie vermutlich einen Stein hinüberwerfen können. Die Hügel umschlossen ihn nach drei Seiten hin, als habe das Hochplateau die Hände aneinandergelegt, um sein Kleinod zu beschützen. Eigenartigerweise hatte der See keine Zuflüsse. Selbst die mächtigen Gipfel des jetzt nur noch einige Meilen entfernten Westlandgebirges schickten ihre Ströme von Regen- und Schmelzwasser auf anderen Routen ins Land hinaus. Der Glimmermere wurde von unsichtbaren Quellen gespeist, die aus dem Urgestein des Landes aufstiegen.
    Auch die Oberfläche des Wassers entsprach genau Lindens Erinnerung: Sie war still und rein wie ein Spiegel, reflektierte die Hügel und den hohen Himmel klarer noch als jedes Spiegelbild, kannte weder Kummer noch Verzweiflung. Doch der Anblick zeigte ihr auch, dass zehn lange Jahre ihr menschliches Gedächtnis hatten vergessen lassen, wie vital, wie ungehemmt und unzerstörbar licht und rein er war. Kurz raubte ihr der kristallene Reichtum des Wassers und das Versprechen, das der See ihr zu geben schien, den Atem.
    Dass das Wasser kalt sein würde, wusste sie. Sie war ganz durchgefroren gewesen, als Covenant sie in den See gerufen hatte, und diesmal gab es keine Wüstensonne, die sie wärmen würde, wenn sie aus dem Wasser kam. Aber sie wusste auch, dass diese Kälte ein unverzichtbarer Aspekt der Reinigungskraft des Glimmermere war, und zögerte keinen Augenblick. Als sie das Seeufer erreichte, ließ sie den Stab des Gesetzes achtlos ins Gras fallen, streifte Stiefel und Socken ab und warf sie beiseite, zog ihre grasfleckige Hose und ihre Bluse aus, als könne sie so ihre Sterblichkeit abstreifen, und stürzte sich mit einem Kopfsprung in das belebende Brennen aus Erinnerung und Erdkraft.
    Kurz vor dem Eintauchen sah sie, dass sie kein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche erzeugte. Nichts von ihr störte Glimmermeres Wiedergabe der ihn beschützenden Hügel und des Himmels, der sich darüber wölbte.
    Die am Rand tiefer Schatten vom Seeboden aufragenden Felsformationen sahen gezackt und nahe genug aus, um sie aufzuspießen, sobald ihr Körper eintauchte, doch Linden wusste, dass sie nicht in Gefahr war. Sie erinnerte sich gut, dass die Seeufer unter Wasser nahezu senkrecht abfielen und der Glimmermere unergründlich tief war. Und dann tauchte sie in Eiseskälte ein, die so stark brannte, dass sie ihren Körper in flüssiges Feuer zu hüllen schien. Auch das entsprach ganz ihrer Erinnerung: von ihrem Glück mit Covenant nicht zu trennen, von Hoffnung angeregt. Trotzdem presste diese Weißglut ihr die Luft aus der Lunge, und noch ehe sie ihre Hoffnung benennen oder suchen konnte, musste sie atemlos keuchend wieder auftauchen.
    Für kurze Zeit, nicht länger als einige Herzschläge, trat sie Wasser. Aber sie war zu sehr Mensch, um in dem See zu bleiben: nicht allein, während die Erinnerung an Covenants Liebe in ihrem Herzen brannte. Kaum hatte sie wieder Atem geschöpft, schwamm sie ans Seeufer zurück und zog sich nackt die steile Grasböschung hinauf. Dort blieb sie trotz der nassen Kälte in blässlicher Frühjahrssonne sitzen und nahm sich die Zeit, die Wirkungen von Glimmermere zu absorbieren, zu erkennen.

Weitere Kostenlose Bücher