Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
einen schmerzlichen Stich ins Herz. Aber wieso hatte sie dann Jeremiah und ihn nicht einmal berühren dürfen?
Sie glaubte zu verstehen, weshalb ihr Stab den beiden bedrohlich erschien. Hatte Covenant die Zeit tatsächlich zusammengefaltet, musste er dazu die Grundlagen von Zeitenfolge und Kausalität – die lineare Kontinuität der Existenz – verbogen haben. Deshalb würde die Kraft ihres Stabes sich von Natur aus nachteilig auf seine Gegenwart und die Jeremiahs auswirken. Sie würde versuchen, den von ihm übertretenen Naturgesetzen wieder Geltung zu verschaffen. Dann konnten Jeremiah und er leicht wieder in ihre jeweilige reale Zeit zurückversetzt werden.
Aber wie konnte ihre Berührung ihm oder ihrem Sohn schaden? Außer ihrem Stab besaß sie nur seinen Ehering, der ihr hätte Kraft verleihen können. Wieso bestand er darauf, dass sie Abstand hielt, wenn er seinen Ring zurückhaben wollte?
Linden ächzte innerlich. Die Wahrheit ließ sich nicht erraten; sie brauchte Antworten, die sie nicht selbst ersinnen konnte. Während der Mähnenhüter und sie über Weiden und Felder, vorbei an Hügeln und Nadelwäldern weiter gen Nordwesten wanderten, sprach sie ihn erstmals an, seit sie die Torhalle verlassen hatten: »Konntest du sie sehen? Covenant und meinen Sohn? Gibt's irgendwas, das du mir über sie erzählen kannst?«
Mahrtiir zögerte nicht. »Die Schlaflosen sehen nicht besser als wir, auch wenn unser Blick durch Kevins Schmutz getrübt wird.« Mit grimmiger Miene blickte er zum Himmel auf. »Trotzdem bleiben der Zweifler und dein Kind uns verschlossen. Ich kann nichts erkennen, was du nicht selbst an ihnen wahrgenommen hast.«
»Was sollte ich deiner Meinung nach also tun?« Linden erwartete nicht ernstlich Ratschläge von ihm. Sie wollte nur den Klang seiner Stimme inmitten der fernen Vogelrufe und dem leisen Rauschen der Bäume hören, sehnte sich nach der rigiden Schlichtheit, mit der Mahrtiir die Welt zu betrachten schien. »Wie kann ich die Wahrheit aufdecken?«
Nimm dich nur vor mir in Acht.
Er lächelte schmallippig. »Ring-Than, es wird dich überraschen, dass ich zur Vorsicht rate. In deinem Namen habe ich mich schon durch einen Wasserfall gewagt, ja, und den großen Hengst Narunal geritten. Ich würde auch vor noch größeren Gefahren nicht zurückschrecken. Trotzdem widerstrebt mir jeder Gesetzesbruch. Ich habe mich als Erster dagegen ausgesprochen, Esmer bei den Ramen aufzunehmen, und ihm als Letzter vertraut. Trotzdem ist es für mich nun keine Befriedigung, dass er meine Zweifel gerechtfertigt hat. Mir ist bewusst, dass es falsch war, meine Bedenken beiseitezuschieben.
Der Zweifler und sein Gefährte beunruhigen mich, auch wenn ich den genauen Grund für meine Sorge nicht nennen könnte. Sie scheinen körperliche Wesen zu sein, sind aber in Wirklichkeit vielleicht Gespenster. Von solchen Dingen verstehe ich nichts. Ich kann dir nur raten, keine überstürzten Entscheidungen zu fällen.«
Der Mähnenhüter verstummte, wirkte unschlüssig, und Linden fragte sich, was in ihm vorgehen mochte. Erst als sie zwischen Mimosen zu den steileren Hügeln aufstiegen, die den Glimmermere umgaben, fuhr er fort: »Eines sollst du jedoch wissen, Linden Avery, ganz sicher wissen. Ich spreche für die Ramen und für die Seilträger, die meiner Obhut anvertraut sind. Wir stehen hinter dir. Die Ranyhyn haben sich in deinen Dienst gestellt. Das hat auch Stave von den Haruchai getan.
Ich will mich deutlich ausdrücken: Offenbar ist der Zweifler zu uns gekommen, der einst der Ring-Than war und Fangzahn den Reißer zweimal besiegt hat, wenn die alten Sagen wahr sind. Sein Kommen ist zweifellos sehr bedeutsam, und zukünftig wird nichts mehr wie früher sein.
Dennoch stehen die Ramen hinter dir. Wir können nicht weniger tun, als die Ranyhyn getan haben. Vor ihm haben sie sich aufgebäumt, als er der Ring-Than war, aber dir haben sie die einzigartige Ehre erwiesen, ihre Häupter zu beugen. Und sie sind getreu bis in den Tod. Siehst du Gefahren in der Anwesenheit des Zweiflers, kämpfen wir an deiner Seite. Komme, was mag, Gutes oder Böses, wir stehen hinter dir.« Der Grimm schwand aus seinen Zügen, und seine Miene wurde sanfter. »Das tut bestimmt auch Liand. Für die Gräuelinger-Brut – Wegwahrer oder Urböse – kann ich natürlich nicht sprechen. Aber ich befürchte nicht, dass Stave sich von dem Zweifler umstimmen lässt. Er hat sich dem Urteil der Schlaflosen widersetzt und zweifelt nicht mehr an
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