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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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also.«
    Bewegung konnte ihr vielleicht helfen, ihr Zittern zu beherrschen.
    Covenant deutete auf den Rand des Plateaus und gesellte sich dann in sicherem Abstand schweigend an ihre Seite. Als er einige Augenblicke lang geschwiegen hatte, kehrten ihre Gedanken – von dem Rätsel angezogen, das Jeremiah für sie geworden war – zu ihrem Sohn zurück.
    »Wie macht er das?«, fragte sie fast bittend. »Muss ich mir auch das ›wie Blut aus einer Wunde‹ vorstellen?« Macht, die er erhält, weil er an zwei Orten gleichzeitig ist? Weil die Zeit blutet?
    »Nein, nein.« Covenant machte eine wegwerfende Handbewegung. »Eine Tür wie diese zu bauen ... oder die in seinem früheren Zimmer ... das ist ein angeborenes Talent. Die richtigen Formen können Welten verändern. Sie sind wie Wörter. Das macht er alles allein. Blut braucht er nur, wenn er eine Barriere errichtet. Oder wenn wir von einem Ort oder einer Zeit in eine andere wechseln wollen. Dazu benutzt er, was austritt, wenn ich die Zeit falte.«
    Linden nickte, als habe sie verstanden. Jeremiahs Fähigkeit, sie daran zu hindern, ihn zu berühren, war erworbene Magie. Er war nicht damit geboren worden. Sie wollte glauben, diese Fähigkeit sei nicht unvermeidlich oder notwendig, sodass sie ihn vor dem Ende wenigstens noch einmal würde umarmen können.
    »Dieses Talent ...« Sie erinnerte sich an Märchenschlösser, rätselhafte Monumente, Holzspielzeug. An Schwelgenstein und den Gravin Threndor. »Wie groß ist es? Wie weit reicht es? Was kann er damit tun?« Seit sie sein Talent für kunstvolle Bauten entdeckt hatte, hatte sie darum gebetet, es werde ihm gelingen, selbst einen Ausweg aus seinem geistigen Gefängnis zu konstruieren.
    Covenant verzog erneut das Gesicht. »Dazu komme ich noch. Nichts von alledem ist so einfach, wie du es gern hättest.« Aber statt weiterzusprechen, verfiel er wieder in Schweigen.
    Allmählich näherten sie sich dem Rand des Plateaus. Darauf schien Covenant zu warten. Er wollte ihr etwas zeigen, das nur vom Rand des Abgrunds über der Würgerkluft zu sehen war. Oder er wollte sichergehen, dass sie ganz außerhalb von Jeremiahs Hörweite waren. Oder er ...
    Er ging nicht langsamer, als er sich dem Abgrund näherte, aber Linden blieb etwas zurück. Der Kevinsblick war unter ihr eingestürzt, und sie wusste bis heute nicht recht, wie sie Anele und sich gerettet hatte. Trotzdem öffnete Caerroil Wildholz' Domäne sich bei jedem Schritt weiter vor ihr: ein sich entfaltender Bildteppich aus Bäumen, von Winter und altem Hass dunkel. Unter dem Wald lagen Hügel wie Meereswellen; sie brodelten zu verhalten, als dass ihre beschränkten Sinne es hätten wahrnehmen können. Bald konnte sie sehen, wo der Schwarze Fluss sich durch den Wald schlängelte. Seinem Namen entsprechend spiegelte sein Wasser weder den kalten Himmel noch das trostlose Sonnenlicht wider. Vielmehr schien es von Erdkraft und Blut dickflüssig zu sein.
    Covenant hatte den Forsthüter einen üblen Schlächter genannt.
    Endlich blieb er mit seinen Stiefeln dicht am zerklüfteten Rand des Plateaus stehen. Nun war es Linden, die auf Abstand achtete – zu Covenant ebenso wie zu dem Abgrund. Einige Augenblicke lang wartete er darauf, dass sie sich zu ihm gesellen würde. Dann drehte er sich leise seufzend nach ihr um und wies mit einem Daumen auf den Abgrund unter sich: »Wo das Wasser dort unten aus dem Berg tritt, ist es deutlich rot gefärbt. Im richtigen Licht sieht es wie Blut aus. Der Lebenssaft der Erde. Aber Wildholz benutzt ihn dazu, den Tod vom Galgenbühl abzuwaschen. Dadurch verfärbt der Fluss sich schwarz.« Er lächelte und fuhr übergangslos fort: »Dein Sohn macht Türen. Alle möglichen Türen. Türen von einem Ort zum anderen. Türen durch die Zeit. Türen zwischen Realitäten. Und Türen, die nirgends hinführen. Gefängnisse. Geht man durch sie hindurch, kommt man nie mehr heraus. Niemals.«
    Linden hielt den Stab des Gesetzes umklammert, bis ihre Fingerknöchel schmerzten; biss sich auf ihre taube Unterlippe, bis sie den Schmerz fühlte; sagte nichts. Dass ihr Sohn solche Macht besaß ...
    »Wie er das macht, kann ich nicht erklären. Talent hat immer etwas Geheimnisvolles an sich. Aber ich kann dir ein bisschen darüber erzählen: Vor allem braucht er die richtigen Materialien für die Tür, die er gerade bauen will. Genau das passende Holz oder Gestein oder Metall oder Gewebe – oder Teile einer Autorennbahn. Und die Form muss genau stimmen. Theoretisch

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