Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
Beinen gehalten. Aber die Mahdoubt hatte sie genährt und gewärmt. Getröstet. Und nun hatte Caerroil Wildholz ihr neue Macht geschenkt. Der Galgenbühl selbst hatte Linden stärker gemacht. Bis auf das erdrückende Gewicht von Unverständnis und Jahrtausenden waren alle ihre Lasten geringer geworden.
Endlich überwand sie ihr Staunen, um dem Forsthüter zu danken, doch dieser hatte sich bereits abgewandt und schritt mit seinem Klagelied und seinen silbernen Augen davon. Als er zwischen den kahlen Stämmen seines Galgens hindurchging, verwandelte er sich in schimmernde Musik und verschwand. Linden blieb allein mit der Mahdoubt, dem Sternenschein und dem unaufhörlichen kummervollen Zorn der Bäume zurück. Noch lange Augenblicke horchten sie auf Caerroil Wildholz' Verschwinden, hörten es verhallen wie die Zukunft der Würgerkluft. Dann sprach die Mahdoubt leise, als fiele sie in das Klagelied des Forsthüters ein: »Die Worte des Großen Mannes sind wahr. Sein Hinscheiden ist unvermeidbar, obwohl er seinen Auftrag noch viele Jahrhunderte lang erfüllen wird. Diese Bäume haben das Wissen vergessen, das ihn dazu befähigt – und auch den Koloss am Wasserfall an seinen Platz fesselt. Die finstere Raserei der Wüteriche wird sich ungehemmt ausbreiten. Wehe der Erde, Lady. Die Geschichte der Tage, die ihr bevorstehen, wird von Reue und Leid berichten.«
Mit bewusster Anstrengung schüttelte Linden ihre Verzauberung durch den Forsthüter ab. Sie hatte ein Geschenk erhalten, das bedeutsamer zu sein schien, als sie zunächst erfassen konnte. Trotzdem änderte sich dadurch nichts. Die Aufgabe, in ihre eigene Zeit zurückzukehren, überstieg noch immer ihre Kräfte, und der Zorn in ihrem Herzen brannte nun heller als zuvor: »Ich habe eben ein Versprechen gegeben, aber ich kann es nicht halten. Nicht hier. Ich muss in die Zeit zurück, in die ich gehöre.«
Dunkelheit verdeckte die eigenartige Diskrepanz zwischen den Augen der Mahdoubt, verlieh ihr trotz ihrer behaglichen Erscheinung einen Hauch von Heimlichkeit. »Lady«, antwortete sie, »dein Bedürfnis nach Nahrung und Schlaf ist noch nicht gestillt. Kehre mit der Mahdoubt zu Wärme und Fleischbrühe und Frühlingswein zurück. Dazu drängt sie dich, weil sie sieht, dass du ungetröstet bist.«
Linden schüttelte den Kopf. In der hiesigen Zeit hatte die Mahdoubt sie jetzt erstmals mit du angesprochen. »Du kannst mir helfen. Das liegt auf der Hand. Du wärst nicht hier, wenn du nicht durch die Zeit reisen könntest. Du kannst mich mit zurücknehmen .«
Die Mahdoubt blieb äußerlich gelassen, aber ihre Stimme klang betrübt, als sie sagte: »Lady, die Mahdoubt darf keine deiner Fragen beantworten. Und sie darf sich auch nicht einfach über die Zwänge deiner Notlage hinwegsetzen. Oder die Schranken ihres eigenen Wissens durchbrechen. Gewisslich nicht.« Die Alte berührte Lindens Handgelenk in der Nähe des Stabes, um sie ihre Ernsthaftigkeit spüren zu lassen. »Willst du nicht mitkommen? Der Große Mann kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen, und dieser Ort ...« Ihr Nicken bezeichnete den Galgenbühl. »... kündet nur von Tod. Werden Essen und Gesellschaft der Lady schaden? Das fragt die Mahdoubt, die es nur gut meint, mit allem Respekt.«
Linden wusste nicht, wie sie beides hätte ablehnen können. Sie empfand eine beunruhigende Verwandtschaft mit dem Bühl, und seine blutgetränkte Erde hielt Lektionen bereit, die sie noch nicht verstanden hatte. Es widerstrebte ihr, sie zu verlassen, aber die Berührung der Mahdoubt weckte ein Bedürfnis, das Linden bisher zu unterdrücken versucht hatte: den Hunger nach schlichten menschlichen Kontakten. Jeremiah hatte sie so lange zurückgewiesen. Sie konnte die Alte so gut am Feuer um Hilfe bitten wie hier. Und so ließ sich Linden mit steifem Schulterzucken von der Mahdoubt den Hügel hinab in Richtung Feuer und Schwarzer Fluss führen.
Der Rückweg schien zunächst länger zu sein, aber sobald Linden und ihre Führerin den Galgenbühl verlassen hatten und eine Zeit lang bei Sternenschein durch den Wald gestapft waren, entdeckten sie zwischen den Bäumen einen sanften gelblichen Lichtschein, und wenig später erreichten sie das Flussufer und das Kochfeuer der Mahdoubt. Allen Sinnen Lindens erschienen die Flammen so gewöhnlich wie der rundliche Körper der Mahdoubt. Aber sie waren nicht erloschen, als niemand sich um das Feuer gekümmert hatte. Der Topf blubberte noch immer beruhigend, und sein Inhalt hatte sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher