Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
war so verblüfft, dass sie stolperte. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, blieb sie auf den Stab gestützt stehen, während sie sich erinnerte. Die Mahdoubt hatte gesagt: Die Lady versteht, dass hier Dankbarkeit im Spiel war. Und tut sie es nicht, wird sie es noch verstehen lernen. Das ist so sicher wie der Auf- und Untergang der Sonne.
Dankbarkeit. In der Robe, meiner Robe: in der verstörenden Buntscheckigkeit der vielfarbigen Flecken und Flicken, die zu einem Gewand zusammengenäht worden waren. Zu anderen Zeiten hatten andere Leute der Mahdoubt gedankt – oder sich ihre Hilfe gesichert –, indem sie ihr buntes Gewand durch Stoffstücke ergänzt hatten.
Die Lady besitzt alles, was sie benötigt.
Die Mahdoubt hatte Linden schon eine Antwort gegeben.
... der Dank, den du ihr gewähren kannst.
Angeschlagen wie sie war, verfiel Linden in einen Zustand, der dem Jeremiahs nicht unähnlich war. Gewöhnliche, erklärbare Logik galt nicht mehr. Sie spekulierte, zog voreilig Schlüsse und stellte sie nicht mehr in Frage. Das einzige ihr wichtig erscheinende Problem war plötzlich, dass sie kein Stück Stoff besaß – und übrigens auch keine Nadel, keinen Faden. Aber dieser Mangel entmutigte sie nicht, konnte ihren Schritt kaum verlangsamen, als sie jetzt weiterhastete, dem Lagerfeuer der Mahdoubt entgegen.
Die in ihrem Umhang vermummte Gestalt verharrte unbeweglich, reagierte nicht auf Lindens Rückkehr. Falls sie die in Lindens Blick lodernde Verwirrung und Hoffnung spürte, ließ sie sich nichts anmerken. Linden öffnete den Mund, wollte heraussprudeln, was sie bewegte, doch dann hielt sie inne. Höflichkeit. Die Mahdoubt hatte Höflichkeit und Respekt verdient. Linden atmete tief durch, dann begann sie mit sanfter Stimme: »Ich weiß nicht, wie ich dich nennen soll. ›Die Mahdoubt‹ klingt zu unpersönlich. Das ist fast so, als würde ich dich ›die Birke‹ oder ›die Esche‹ nennen. Aber ich habe mir noch nicht das Recht verdient, deinen Namen zu erfahren. Und du nutzt auch den meinigen nicht. Du nennst mich ›Lady‹ oder ›die Lady‹, um mir Respekt zu erweisen. Wäre es in Ordnung, wenn ich dich ›meine Freundin‹ nennen würde?«
Die Mahdoubt hob langsam den Kopf. Dann schlug sie mit beiden Händen die Kapuze ihres Umhangs zurück. Der grelle und trotzdem behagliche Widerspruch ihrer Augen betrachtete Linden herzlich: »Die Mahdoubt würde sich geehrt fühlen, als Freundin der Lady betrachtet zu werden.«
»Danke.« Linden verbeugte sich. »Das weiß ich zu schätzen. Meine Freundin, ich habe eine Bitte.«
Die Mahdoubt lächelte noch immer, und Linden zögerte nicht: »Du hast mich einmal gefragt, ob mich der Anblick deiner Robe erfreue. Das habe ich nicht verstanden. Ich verstehe es noch immer nicht. Ich weiß nur, dass es irgendwie mit den Umständen deines Wissens zusammenhängt. Mit deinen Überzeugungen. Aber ich wäre froh, wenn ich sie jetzt noch einmal sehen dürfte. Ich wäre dir für eine zweite Chance dankbar.«
In den Augen der Mahdoubt blitzte ein Licht auf – vielleicht ein kurzer Reflex des Feuerscheins oder eine Intensivierung ihrer unberechenbaren Solidität und Vergänglichkeit. Dann erhob sie sich langsam, indem sie ein Gelenk nach dem anderen streckte: eine gebrechlich gewordene alte Frau, zu schwer für ihre schwindenden Kräfte und kaum mehr imstande, ohne Mühe zu stehen. Während sie sich aufrappelte, schien sie vor Vergnügen zu erröten, und als sie sich nun an ihrem wärmenden Kochfeuer gegenüberstanden, ließ sie den Umhang von ihren Schultern gleiten, damit Linden die ganze Hässlichkeit ihrer buntscheckigen Robe betrachten konnte.
Das Gewand war willkürlich zusammengestückelt, mit verblüffender Sorglosigkeit in Bezug auf harmonische Farben, zusammenpassende Stoffe oder auch nur gerade Nähte. Manche Fetzen waren so groß wie Lindens Hand oder wie beide Hände, andere so lang und schmal wie ihr Arm. Manche leuchteten in aufdringlichen Grün- oder Purpurtönen, als seien sie frisch gefärbt. Andere wiesen gedämpftere Ocker- und Brauntöne auf und zeigten die Abnutzungsspuren langer Jahre. Die »Fäden«, mit denen die Flicken zusammengenäht waren, variierten von haarfeiner Seide bis zu groben Rohlederriemen. Hätte jemand anderes als die Mahdoubt das Kleidungsstück getragen, hätte wohl niemand bei seinem Anblick an Liebe oder Dankbarkeit gedacht.
Während Linden die vor ihr liegende Aufgabe begutachtete, murmelte sie mit einer Mischung aus
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