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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Nadel und einem hartnäckigen Fetzen Rot bestand. Sie dachte an Jeremiah, seine Exaktheit, seine Selbstsicherheit. Jetzt oder nie, wiederholte sie wie ein Mantra. Jetzt oder nie.
    Endlich hatte sie fünf kurze rote Fäden herauspräpariert. Die mussten genügen, beschloss sie. Stoff. Eine Nadel. Nähfaden. Jetzt brauchte sie nur noch eine Methode, um den Faden an ihrem Zweig zu befestigen.
    Noch auf der Suche griff sie nach der Flasche Frühlingswein und nahm einen Schluck. Dabei blinzelte sie mehrmals, um ihre Augen zu befeuchten, die sich trocken wie der Galgenbühl anfühlten. Dann griff sie nach ihrem zugespitzten Zweig und brach ihn in der Mitte durch.
    Die Bruchstelle war uneben; sie fixierte den Faden zwischen den Holzspitzen und rutschte auf den Knien zu der Mahdoubt hinüber.
    »Nur langsam, Lady«, sagte die Insequente leise. »Kein Grund zur Eile.«
    Linden hörte sie kaum. Ihre Welt bestand nur noch aus Stoff und Faden, einer hölzernen Nadel und dem herabhängenden Rocksaum der Mahdoubt. Als sie dicht genug heran war, legte sie ihre Fäden auf einem Stein aus und begutachtete dann die Robe der Alten, bis sie eine passende Stelle für ihren Flicken gefunden hatte. Weiter auf den Knien und nur durch ihre Erinnerungen an Jeremiah angeleitet, nahm sie den ersten Faden, klemmte ihn vorsichtig in ihre improvisierte Nadel und begann zu nähen. Während sie arbeitete, hielt sie immer wieder die Luft an, um so gegen ihre Müdigkeit anzukämpfen.
    Ihre Nadel drang nicht leicht durch den Stoff, und als sie endlich Flanell und Gewandsaum durchstochen hatte, war das Loch viel zu weit für ihren Faden. Aber Linden verknotete ihn, so gut das mit wunden Fingern ging, und bohrte die Nadel dann erneut durch den Stoff.
    Während Linden sich abmühte, spürte sie die Hand der Mahdoubt auf ihrem Scheitel. Die Alte streichelte ihr Haar, tröstete sie und begann dann, halblaut zu singen – gedämpft, als sei diese Litanei im Wesentlichen nur für sie bestimmt. Trotzdem erzeugte ihr Tonfall – oder der Text oder Lindens überwältigende Müdigkeit – einen tranceartigen Bann, der ihre Welt noch weiter reduzierte. Die Würgerkluft verschwand aus Lindens Sinneswahrnehmungen: die scharfen Zähne der Winterkälte und die sanfte Wärme des Kochfeuers verloren ihre Bedeutung; Dunkelheit und Sterne wurden zu einem vagen Nebel, der sich verdichtete und sie umfing, ohne weiter von Bedeutung zu sein. Allein Lindens Hände und die Robe der Mahdoubt waren noch hell, noch wichtig, und allein der Gesang der Mahdoubt verlieh Linden die Kraft, weiterzunähen:
     
    Der Zauber, der die Zeit bezwingt
    Ist simpel, rein und kalt wie Schnee.
    Geschmolzen, wie der Tod so klar,
    Rinnt der Gedanke, birgt Gefahr.
    Und raureifkalt sein Sinn erklingt,
    denn durch Verständnis wird er so.
     
    Sein Geheimnis? Ist Vertrauen.
    Immergleich bleibt er bestehn
    Veränderung er still erstrebt,
    Aus Stille seinen Zauber webt,
    Und wird doch niemals selbst vergehn
    Ursache und Wirkung erschaffen ihn so.
     
    Solch Wissen ist der Quell des Lebens,
    Tod, allumfassend, Freud' und Leid,
    Zieht seine Kraft aus unsrem Traum
    Und nährt die Pracht am Lebensbaum,
    Vom Schmerz des Kampfes nicht befreit,
    Doch Akzeptanz verlangt es so.
     
    Die Wahrheit, die die Zeit beherrscht,
    Ist schlicht, wie alle Wesen sehen.
    Sein Rhythmus ewig gleich und klar
    Erzählt, warum und wie es war,
    Wir alle sind Sein und Vergehen,
    Das Lebensrad, es will es so.
    Es widerspricht nicht der Verstand
     
    Dem eigenen, dem nahen Sterben.
    Er schweigt nur still und wandert fort
    Und kennt zur Heilung doch den Ort
    Der Seelenqualen kann verbergen,
    Denn das Gesetz der Zeit verlangt es so.
     
    Linden verstand nichts ... und wusste nicht, kümmerte sich auch nicht darum, dass sie es nicht tat. Mit wunden Fingern und verschwimmendem Blick konzentrierte sie sich einzig und vollständig darauf, ihre Dankbarkeit, ihre Ehrerbietung zu erweisen. Aber als sie den letzten Faden vernäht und den roten Flanellfetzen an die Robe der Mahdoubt geheftet hatte – als die Alte ihre Hand fortnahm und ihr Gesang erstarb, glaubte Linden eine vertraute Stimme froh und erleichtert rufen zu hören: »Die Ring-Than! Die Ring-Than ist zurück!«
    Gleichzeitig schien sie Sonnenwärme auf ihrem Rücken zu spüren, Frühling in der Luft zu riechen. Sie kniete zu Füßen der Mahdoubt in taunassem Gras, hörte Wasser rauschen, den Stab des Gesetzes ebenholzschwarz an ihrer Seite.
    Und sie hörte weitere Stimmen, auch

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