Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
würde sie die Last, die sie zu tragen beschlossen hatte, nicht mehr schultern müssen ... und Jeremiah würde ewig für sie verloren sein, und damit würde sie nicht leben können.
Liand, Bhapa und Pahni starrten sie verwundert an, und Mahrtiirs steife Haltung sprach von Überraschung. Offenbar hatten sie nicht so weit vorausgedacht, hatten sich auf die Gefahren von Lindens Reise, nicht auf ihr Ergebnis konzentriert. Nur Stave ließ keine Reaktion erkennen. Vermutlich erkannte er, dass ihr daran gelegen sein musste, die Gedemütigten nicht gegen sich aufzubringen, und Galt, Branl und Clyme hätten die Lichtung bestimmt nicht verlassen, wenn Stave nicht zugestimmt hätte, sie über das hier Gehörte zu informieren.
»Du reizt meine Neugier«, bemerkte Kaltgischt selbstsicher und lässig wie eine Frau, die gleich zum Angriff übergehen wird. »Willst du unsere Zweifel nähren? Ist das deine Absicht?«
Langzorn versuchte, sich trotz seines Knebels Gehör zu verschaffen. Linden war davon überzeugt, dass er »Erschlagt sie!« zu heulen versuchte.
Wie schnell, fragte sie sich, kam die Eisenhand an ihr Schwert heran? Dabei würde Kaltgischt es gar nicht brauchen. Keine der Schwertmainnir würde ihre Waffe brauchen. Linden war zu schwach, zu menschlich. Jeder Schlag ihrer schweren Fäuste wäre für sie tödlich gewesen.
Vertrau auf dich selbst. Die Riesen der Suche waren ihre Freunde geworden, lange ehe die Haruchai sie respektieren gelernt hatten.
»Ja«, antwortete sie mit so fester Stimme wie möglich. »Ich bin darauf angewiesen, dass ihr an mir zweifelt. Entscheidet ihr euch nicht dafür, mir aus eigenem Antrieb zu helfen, bin ich ohnehin verloren. Ich weiß nicht, wie ich es sonst erklären soll. Näher komme ich an die Wahrheit nicht heran.« Näher durfte sie nicht an sie herankommen. »Ich habe euch gesagt, was ich erreichen will. Seid ihr damit nicht zufrieden, sollten wir uns trennen.«
Kaltgischt betrachtete Linden einige Sekunden lang prüfend, während Langzorn sich protestierend in seinen Fesseln wand und die Sterne mitleidlos am kalten Himmel funkelten. Dann sah die Eisenhand ihren Kameradinnen nacheinander in die Augen. In den Schatten, die der flackernde Feuerschein warf, schienen manche finster dreinzublicken; andere verzogen das Gesicht. Und dann stemmte Kaltgischt die Fäuste in die Hüften, warf den Kopf in den Nacken und begann zu lachen.
Ihr Lachen war üppig und volltönend wie ein Akt des Trotzes. Anfangs hörte Linden noch Anstrengung und Beengtheit darin, die Strapazen einer langen Reise. Fast sofort fielen jedoch zwei bis drei und dann weitere Riesinnen ein, und ihr Lachen wurde entspannter, bis es von sorgloser Heiterkeit voller Fröhlichkeit und Freiheit kündete. Bald lachten alle Schwertmainnir mit ihr, und ihre Stimmen stiegen zum Himmel auf.
Auch Liand lachte, als sei er seiner Sorgen ledig. Bhapa und Pahni lächelten breit, und Mahrtiir grinste unter seinem Verband. Anele streichelte den glatten Stein von Kaltgischts Rüstung und summte dabei, als läge er in der Wiege. Langzorn wand sich eine Zeit lang nicht mehr in seinen Fesseln; sogar sein geknebelter Zorn verstummte. Stave betrachtete sie alle ausdruckslos, aber der Feuerschein zeigte unverkennbare Erleichterung in seinem Blick.
Linden hätte ebenfalls mitgelacht, wenn sie gekonnt hätte. Die ungehemmte Fröhlichkeit der Riesinnen beruhigte sie. Aber sie wusste noch nicht, was diese Heiterkeit bedeutete.
Raureif Kaltgischt beruhigte sich allmählich wieder. Noch immer lächelnd sagte sie: »Stein und Meer! Wir sind in der Tat Riesen. Obgleich wir leben und sterben, ändern wir uns so wenig wie die Dauerhaftigkeit dessen, was wir bewundern. Trotz unserer vielen Jahrhunderte haben wir noch nicht gelernt, uns zu verstellen und anders zu sein, als wir wirklich sind.« Dann fuhr sie, direkt an Linden gewandt, fort: »Nach unseren Kindern sind Sagen unser größter Schatz. Aber ohne Gefahr und Wagemut, Seelenstärke und Ungewissheit kann es keine gute Geschichte geben. Taten und Ereignisse ohne ein Element der Gefahr fesseln selten. Und den Genuss haben die Ohren, die hören, nicht der Mund, der spricht. Unser dringendstes Bedürfnis hast du schon befriedigt. Du hast uns gezeigt, dass unsere scheinbar ziellosen und vergeblichen Reisen, die wir um Langzorns willen unternommen haben, nur das Vorspiel für eine weit größere Geschichte waren.« Ihre Gefährtinnen lachten noch immer, und auch Kaltglanz strahlte über das ganze
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