Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
Linden war zu sehr Mensch: Kein Aspekt ihres Körpers oder Verstands war darauf vorbereitet, sich einem so plötzlichen und absoluten Wandel anzupassen. Der rein sinnliche Exzess ihrer ursprünglichen Versetzung in das Land hatte sie betäubt und desorientiert, kaum zu irgendeiner Reaktion imstande zurückgelassen. Und ihre Durchquerung von Zäsuren war nur erträglich gewesen, weil Macht – die der Urbösen und ihre eigene – sie geschützt hatte.
Dieses Mal war es völlig anders. In gewisser Weise war es schlimmer. Alles, was sie sehen und fühlen und verstehen und mögen konnte, verschwand in Bruchteilen eines Augenblicks ...
... oder wurde verwandelt.
Linden merkte kaum, dass sie taumelte und instinktiv versuchte, auf anderem Untergrund wieder ins Gleichgewicht zu kommen; sie nahm kaum wahr, dass Düsternis und peitschender Wind durch blendend weiße Helligkeit und schneidende Kälte ersetzt worden waren. Die Kälte in ihrer Lunge war nur eine andere Version ihrer steif gefrorenen Kleidung. Sie schien nicht erblindet zu sein, weil das Sonnenlicht zu stark war, sondern vielmehr, weil ihre Sehnerven sich einfach nicht auf den blitzschnellen Wechsel einstellen konnten. Hätte der Stab des Gesetzes nicht unverändert gütig in ihren Armen geruht, hätte Linden glauben können, sie sei ausgelöscht worden. Alle Nervenzellen ihres Körpers – außer denen, die direkten Kontakt mit dem Stab hatten – weigerten sich anzuerkennen, wo und wer sie war. Aber dann hörte sie Covenant erkennbar wütend keuchen: »Höllenfeuer! Hölle und Teufel!« und wusste, dass sie nicht allein war.
Ein autonomer Reflex schloss ihre Augen vor der erschütternden Helligkeit, die das Innere ihres Kopfs wie der Klang riesiger weißglühender Glocken auszufüllen schien. Und ein weiterer instinktiver Reflex ließ sie nach dem Feuer des Stabs greifen. Sie wollte sich mit Erdkraft gegen den unbegreiflichen Wandel abschotten, der die Welt befallen hatte.
Covenants Stimme war schneidend: » Denk nicht mal daran! Gottverdammt noch mal, Linden! Begreifst du denn nicht, dass du mich noch immer ausradieren kannst? Ich falte die Zeit weiter zusammen, und sie ist brüchig. Gebrauchst du den Stab, sitzt du hier allein fest und bist hilflos, während Foul alles zerstört.«
Linden, die von seinem Zorn eingeschüchtert und nachträglich selbst erschrocken war, scheute vor der Kraft des Gesetzes zurück. Sie hielt den Stab, den sie mit einer Hand umklammerte, von sich weg, damit sein gefährlicher Beistand nicht so dicht an ihrem Herzen ruhte.
Dann spürte sie, wie Covenants Zorn seine Richtung änderte. Einen weiteren Fluch murmelnd kehrte er ihr den Rücken zu. Seine Schritte knirschten über eine brüchige Fläche, als er die Entfernung zwischen ihnen vergrößerte.
Da ihre Augen geschlossen und alle ihre Sinne wie betäubt waren, konnte sie keine Anzeichen für Jeremiahs Anwesenheit entdecken. Oder für die der Meister. Oder für die ihrer Freunde. Irgendwie hatte sie alle hinter sich gelassen. Auch die Übelkeit, die Esmer bei ihr auslöste, war verschwunden. Und die Urbösen konnten sich jederzeit wirkungsvoll tarnen.
Aber Jeremiah ...
Jetzt wollte sie die Augen öffnen, sich verzweifelt nach ihrem Sohn umsehen. Aber das konnte sie nicht. Noch nicht. Die Helligkeit war zu konzentriert, um erträglich zu sein – oder Linden war zu verwundbar für sie. Das grelle Weiß hätte ihre Netzhäute schädigen können ...
Covenant?, fragte, forderte, flehte sie. Wo sind wir? Was hast du getan? Aber ihre Stimme verweigerte ihr den Dienst.
Was hast du mit Jeremiah gemacht?
»Verdammt!«, schrie Covenant plötzlich. » Zeig dich endlich!« Sein Zorn war nicht gegen sie gerichtet. »Ich weiß, dass du da bist! Hier stinkt's überall nach dir! Und ...« Er senkte drohend die Stimme. »... du willst doch nicht, dass ich dich dazu zwinge. Das wäre verdammt schmerzhaft.«
»Und fürchtest du nicht, was ich dir enthüllen werde?«, fragte eine helle Stimme.
Linden hielt sich ihre freie Hand über die Augen, blinzelte angestrengt in dem Versuch, sich an die kalte weiße Helligkeit zu gewöhnen und wieder sehen zu können. Diese Stimme hatte sie noch nie gehört.
»Du«, schnaubte Covenant. »Das würdest du nicht wagen. Du würdest ins Kreuzfeuer geraten. Du würdest alles verlieren.«
»Auch wenn du vielleicht wahr sprichst ...«, begann der Unbekannte, doch Covenant fiel ihm ins Wort. »Was zum Teufel machst du also? Wir gehören nicht hierher,
Weitere Kostenlose Bücher