Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
kommst. Ich wollte dir gerade deine Seide bringen. Gestern Abend habe ich es leider nicht mehr geschafft.«
»Ist denn Talita nicht bei dir?«, fragte Anjala unsicher. »Ich habe sie doch vorhin losgeschickt, sie sollte dir Rohseide bringen und die gesponnene abholen.«
Shaka schüttelte den Kopf. Das graue Haar hing ihr wirr ins Gesicht, sie streifte fahrig eine Strähne zurück. »Talita? Nein, die habe ich heute noch nicht gesehen. Nur gestern Abend, als sie mir das Muschelfleisch gebracht hat.«
Sheilas Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus. Sie hatte es gewusst! Talita war etwas zugestoßen! Ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen.
»Vielleicht ist sie schwimmen gegangen«, meinte Shaka. »Oder sie ist schon unterwegs, um Muscheln zu suchen. Sie ist ja so ein fleißiges Mädchen. Du kannst wirklich stolz auf deine Tochter sein, Anjala.«
Anjala nickte geistesabwesend. Sheila sah die Sorge in ihrem Gesicht. »Danke. Also, wenn du Talita siehst, dann richte ihr bitte aus, dass sie sofort heimkommen soll.«
»Das mache ich«, sagte Shaka.
Anjala wollte schon gehen, da rief Shaka ihr nach: »Willst du denn keine Seide mitnehmen?«
»Doch, natürlich«, murmelte Anjala. »Entschuldige, aber ich bin so durcheinander. Ich mache mir wirklich Sorgen um Talita. Sie sagt sonst immer, wohin sie gehen will. Dass sie einfach so verschwindet, ist überhaupt nicht typisch für sie.«
»Nun ja, sie ist doch jetzt in dem Alter, in dem man schon einmal ein paar kleine Geheimnisse vor seiner Mutter hat«, meinte Shaka. »Da erzählt sie dir bestimmt nicht mehr alles.«
»Hm, könnte sein«, sagte Anjala. »Sie war in den letzten Tagen auch ein bisschen merkwürdig, immer in Gedanken …«
»Na also. Vielleicht hat sie ja einen Freund und trifft sich heimlich mit ihm und du sollst davon nichts wissen.« Shaka lachte.
Anjala stimmte in das Lachen mit ein, aber richtig von Herzen kam es nicht. »Gut, dann werde ich mir keine Sorgen machen. Wo hast du die gesponnene Seide?«
»Komm rein, ich gebe sie dir.« Shaka trat zur Seite und Anjala schlüpfte in die Wohnung.
Sheila blieb in der Tür stehen. Die Wohnung war noch enger und armseliger als Anjalas Behausung. Plötzlich blieb Sheilas Blick an etwas hängen, sie entdeckte am Boden den Korb, den Talita mitgenommen hatte. Er war jetzt leer, aber sie erkannte ihn trotzdem wieder, weil eine Kante beschädigt war. Sheila fing an zu zittern. Obwohl sie keinen Augenblick lang Shakas Geschichtegeglaubt hatte, wusste sie jetzt genau, dass die alte Frau gelogen hatte. Talita war bei ihr gewesen!
Als Anjala mit der gesponnenen Muschelseide herauskam und die Holztür hinter ihr zugefallen war, fasste Sheila sie am Arm.
»Shaka lügt«, flüsterte sie aufgeregt. »Ich habe Talitas Korb gesehen.«
»Wir haben mehrere solcher Körbe«, sagte Anjala. »Sie sind vom selben Korbflechter. Shaka verwendet die gleiche Sorte.«
Sheila überlegte, ob sie die beschädigte Stelle erwähnen sollte. Aber vielleicht waren ja tatsächlich mehrere Körbe kaputt. Arm, wie die Leute waren, benutzten sie die Körbe bestimmt so lange, bis es gar nicht mehr ging.
Schweigend ging sie neben Anjala zur Wohnung zurück. Dann fasste sie sich ein Herz. »Talita ist gestern überfallen worden, als sie mit Mario unterwegs war.«
Anjala blieb abrupt stehen. »Stimmt das? Warum hat mir Talita nichts davon erzählt?«
»Sie wollte nicht, dass Ihr Euch sorgt.« Sheila schluckte. »Und sie wollte Euch auch nicht in Gefahr bringen.«
»Du redest in Rätseln, Mädchen.« Anjala schien auf einmal ungehalten. Sie zog Sheila in ihre Wohnung. »Sag, was du weißt – und zwar alles!«
Sheila blickte zu Mario, der mit Brom auf dem Boden saß und mit Würfeln spielte.
»Talita ist verschwunden, Mario«, sagte sie. »Die Nachbarin behauptet, sie wäre gar nicht bei ihr gewesen, aber ich habe dort ihren Korb gesehen.«
»Ja, das weiß ich inzwischen!«, fauchte Anjala. Ihre Augen blitzten vor Zorn. »Erzählt, was gestern los war, aber die ganze Wahrheit, sonst werfe ich euch beide raus!«
Mario stand auf. Sein Gesicht war voller Sorge und er ließ die Arme hängen. »Vielleicht war es ein Fehler, dass wir Euch nichts gesagt haben. Aber Talita hat mich beschworen zu schweigen.« Er berichtete, was am vorigen Tag geschehen war und warum Talita glaubte, dass man sie in der letzten Zeit verfolgte.
Anjala wurde immer blasser. Brom klammerte sich ängstlich an ihre Hüfte.
»Müssen wir jetzt alle
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