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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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wollte nicht um die Welt von ihm ablassen, nein, sie hatte gewartet, und das hatte ihr schließlich den Erfolg gebracht.
    Aber jetzt rang sie mit sich oder um etwas, das spürte auch er, der abwog, was zu tun das Rechte wäre. Einerseits genoss er diese stillen Morgenstunden bei seiner heimlichen Geliebten auf der Fensterbank, andererseits wusste er, dass er sich mit dem Frisieren heute sputen musste, sollte nicht noch mehr Geschwätz die Flure und Kammern des Schlosses erfüllen. Sein ganzes schönes Frisierimperium drohte mit dem einen Satz von gestern zusammenzukrachen undnoch viel mehr. Er versuchte es mit einer Versöhnung: »Ich wollte dich nicht erschrecken, Alžbeta. Aber was wir tun, ist …«
    »Was wir getan haben, Franta.«
    »Wie meinst du das?« Er schob ihren duftenden Körper etwas von sich, damit er ihr Kinn hochhalten und ihr ins Gesicht schauen konnte. »Was? Was haben wir denn getan?«
    Sein blaues Täubchen gurrte, sah ihm aber nicht in die Augen, als sie sagte, sie hätte eine Unregelmäßigkeit bei sich bemerkt. Und der Zofe sei das wohl auch aufgefallen, und …, weiter kam sie nicht, da er sie unterbrach mit dieser heiseren brüchigen Stimme, die ihn immer dann befiel, wenn ihn etwas wirklich aus der Façon brachte, und das war selten genug der Fall: »Von was für einer Unregelmäßigkeit sprichst du, Alžbeta?«
    Sie entzog sich seinem Griff und schaute ihn nunmehr mit dieser gewohnt tadelnd-nachsichtigen Art an, und stur fast, herrschsüchtig über jedes Stückchen Freiheit wachend, ganz besonders, wenn es die Freiheit ihres Blickes betraf: Sie wollte entscheiden, wann sie ihm in die Augen sah und wann nicht. Ihr Blick zielte fadengerade, als sie sagte: »Ja. Die Möglichkeit besteht.« Die alte Überheblichkeit der Adeligen schimmerte durch ihre Haut, aber nur für einen Moment, dann rüttelte sie wie an sich und setzte sich noch aufrechter vor ihn hin, ihre Brüste wie zwei vollendet schöne, vollendet runde, baumelnde Produkte Kassaer Glockengießkunst. »Oder willst du mich etwa nicht mehr haben?«
    Es blieb ihm natürlich nichts anderes, als ihr zu widersprechen, sie mit einem Kuss zum Schweigen zu bringen. Und doch, und ja, und wie er sie haben wollte, spürst du das etwa nicht, hier, zwischen meinen Lenden? Endlich fragte er sie mit Bruch in der Stimme: »Bist du …, sind wir …, werden wir …, werde ich Vater sein?«
    »Das weiß ich noch nicht. Könnte sein, doch, wieso nicht?«
    »Ach, das ist doch bloß deine gewohnte Pedanterie!«
    »Nein, Franta, das hat nichts mit Pedanterie zu tun. Ich bin überfällig, und wenn du nachzählst, wenn du deine eigene Pedanterie des Haarteilanfertigens nur für einen Moment fürs Rechnen aufbringen würdest, dann wüsstest du das auch.«
    Das war eine ungerechte Spitze, und er wusste, dass sie sie schon bereute, kaum dass sie ihren aufgeworfenen Lippen entsprungen war. Er küsste sie. Dann küsste er sie noch einmal, etwas eiliger. Und mit der Kraft und dem Willen und der Großspurigkeit eines Vaterlosen verkündete er, dass er sich der Aufgabe stellen würde, dass er seinen Mann stehen würde, dass er gespart habe, lange gespart habe, viel gespart habe, und dass er seine Verantwortung, seine Pflicht …, aber da unterbrach sie ihn mit schallendem Gelächter, warf sich mitsamt den Glockenbrüsten an ihn und biss ihn sanft ins Ohrläppchen.
    Eine Seidenrolle hatte sich im leichten Wind des Morgens selbständig gemacht und holperte über den Holzboden. Von weiß nicht woher sprang eine Katze hinzu, es war die cremig-rote, eine langhaarige, deren Vater einst aus Sibirien importiert worden war und deren Mutter, wie man sagte, eine türkische Angora gewesen sein musste, diese cremigrote also, Pfoti oder Tatzi oder wie auch immer, stürzte sich mit Todeswut auf die Rolle und verkrallte sich in ihr. »Buschi! Geh weg! Das hat der František doch speziell für mich mitgebracht, lass ab, Buschi, geh, troll dich!«, schimpfte Alžbeta und tänzelte mit baren Füßen vor und zurück, dass ein kleiner Luftzug ging.
    Dies war der Moment, in dem sich František zurückmeldete. Er erhob sich, etwas Unverständliches gurgelnd, von der Fensterbank und sagte so etwas wie »… nun also, jetzt …, Haare machen …«, und Alžbeta setzte sich schulterzuckendan ihren Frisiertisch. »Willst du dir nicht vielleicht vorher noch etwas …, etwas überziehen?«
    »Wozu habe ich Zofen?«, murrte sie und schlüpfte doch in ihre Kleider zurück, eins nach dem anderen.

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