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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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fand zwar eine gewisse Bestätigung in den Schmeicheleien forscher Männer, zumeist Hippies mit langen Haaren und Blumenornamenten auf verwaschenen Jeans, traf sich mit ihnen in der Arbeitspause am nahen Zürichsee, jedoch rein platonisch, wie sie zu Hause der besorgten Mondaine versicherte, da ist nichts, Maman. Nicht solches. Das nicht.
    Emma hätte nie einen Mann freiwillig an sich herangelassen. Außer Nunzio. Der war ja ihr Mann. Und irgendwie musste er sich doch Entspannung verschaffen, wenn er nicht gerade auf Reisen war und Missstände aufdeckte. Siehatte sich nie gefragt, wie er »damit« umging, wenn er unterwegs war. Ob er »damit« zu einer Hure – ein Wort, das sie faszinierte, weil es so etwas wie Kontrolle und Macht implizierte – ging oder selber Hand an sich legte. Sie lebte diesbezüglich in einem Schlummerschlaf und schloss die Augen. Die seltenen Male, die sie beide zueinanderfanden und so etwas wie Geschlechtsverkehr hatten, endeten eher in Verstörung und Verstocktheit. Beiderseits.
    Als die Periode wieder ausgeblieben war, verkündete Emma aller Welt, die es nicht interessierte, dass sie allein vom Ansehen schwanger geworden sei. Was sie damit eigentlich aussagen wollte, war ihr nicht klar. Sie war ihrem Mann zugetan, sicher, bewunderte ihn, hielt ihn hoch oben auf dem Sockel und hielt ihn damit fern von sich. Eine zu große Nähe, ein ernsthafter Gedankenaustausch, ein Gespräch hätte in ihr doch sofort das altbekannte, das eingefleischte Gefühl aufgerissen, etwas ganz Besonderes tun zu müssen, um neben ihm bestehen zu können.
    Jetzt hatte sie zum zweiten Mal etwas ganz Besonderes getan. Ein neues Mädchen war da, rund, dick, schrumpelig, mit roter Haut und einem verwischten Flaum auf dem verrunzelten Köpfchen. Dieses Kind wirkte so ganz anders als Lorine. Aus Lorine war eine schlanke, hochgeschossene Dreijährige geworden. Hellblond wie der Vater, eine richtige Langobardin, mit langen schmalen Fingern und Zehen und Beinen und Armen wie die Glieder einer Schnake so dünn. Aber ungemein lebhaft, zehrend, ein Kind, das immerzu in Bewegung war. Lorine konnte keinen Augenblick stillsitzen.
    Hoffentlich würde aus diesem hier ein anderes Kind. Hoffentlich wäre dieses hier einfacher zu halten. Kinder gehorchten eben nicht auf Befehle wie Hunde. Kinder blickten nicht treuherzig zurück, um die Gefühlslage von Emma zu erkunden, Kinder forderten – gerade letzte Wochehatte Lorine trotzig aufgestampft, als Emma ihr gesagt hatte, sie solle ruhig sein, etwas Ruhiges spielen gehen, sich herrgottnochmal endlich beruhigen, ihr Kopf würde sonst zerspringen ob all dem Lärm, aber nein, Kinder kannten da nichts, außer sich selbst, nichts, das hatte Emma schon bald gemerkt.
    Und nun ein zweites.
    Das Kind schnaufte schnell. Sein Bäuchlein hob und senkte sich unter dem Laken, das etwas weggerutscht war. Oder nur nachlässig drapiert, Emma wusste es nicht, sie hatte noch geschlafen, als eine Schwester den Säugling im Plexiglasbettchen in ihr Zimmer gerollt hatte. Sie hatte das Stottern der Räder und das Glöckeln des Mobiles, das an der Chromstahlstange festgeknotet war, an den Rändern ihres Traumes wahrgenommen und einfach nicht gewollt, dass sie jetzt schon wieder die Augen aufschlagen müsste. Sie hatte sie fest geschlossen gehalten, bis die Schwester auf ihren Kreppsohlen das Zimmer wieder verlassen, die Türe hinter sich gegen den Luftwiderstand in den Rahmen zugezogen hatte. Aber der Schlaf war zerstört. Das Tor in die so heilsame Traumwelt verschwunden, und nach ein paar vergeblichen Versuchen, wieder Einlass zu finden in ihr persönliches Wolkenkuckucksheim, gab Emma sich geschlagen und richtete ihren Blick auf das Kind.
    Es lag da, als wäre es erschöpfter als die Mutter selbst. Dabei hatte sie doch die ganze Anstrengung gehabt! Sie! Das war nicht fair!
    Mit einer Mischung aus Neid und Dankbarkeit hatte sie die Hilfe ihrer Maman angenommen. Mondaine kümmerte sich um Lorine in den Zeiten, in denen Emma nicht da war. Wenn sie am Theater war und Haare knüpfte. Oder in einem Studio stand und einen erneuten Versuch unternahm, mit einem Lied in die Hitparade zu gelangen. Ein Schiffchen der Hoffnung, das nie ganz untergegangen war, wederbei Emma noch bei ihrem Vater. Oder wenn sie, so wie jetzt, im Spital lag und gegen eine innere Verheerung kämpfte.
    Demnächst würde alle Welt bei ihr am Bett vortanzen und zu dem Kindchen gratulieren. Man würde Geschenke dalassen, Lätzchen, Blüschen,

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