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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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es wohl an der Zeit sei, zu gehen.
    »Ich forsche. Das heißt, ich habe geforscht«, fügte sie an, »nun arbeite ich beim Tierschutz auf der Beratungsstelle. E-Mail-Auskünfte und so weiter.« Sie sah, dass ihn das noch nicht zufriedenstellte, also redete sie rasch weiter: »Ich will aber wieder forschen. Deshalb reise ich demnächst nach Ungarn. Heute findet ein Treffen unter Ornithologen in Vaduz statt. Da muss ich unbedingt hin.«
    »Gut, ich muss nämlich auch weiter«, setzte er da ein und nickte zur Verabschiedung freundlich.
    »Noch nicht!«, rief es da aus ihr, und sie registrierte mit Scham, dass sich ein paar Köpfe im Restaurant nach ihr umdrehten. Dann etwas leiser und indem sie mit ihrer Hand kurz seinen Arm berührte: »Ich – ich fahre seit Zürich hinter Ihnen her« – er hob die Augenbrauen –, »ich höre die Musik, die Sie hören. Ich habe die ganze Strecke bis hierher mitgehört, alles, jedes einzelne Stück!«
    »Ah«, machte er, »das also meinen Sie.«
    In Audes Blick lag eine Bitte, als sie sagte: »Ich muss wissen, was das ist.«
    Er lachte. »Was das ist? Das sind Jingles! Musikkompositionen für Werbefilme. Kino, Fernsehen, Radio. Ich komponiere Jingles.«
    »… Produktewiedererkennungsmelodien …, aber: Warum höre ich sie?«
    »Haben Sie Ihr Autoradio eingeschaltet?«
    »Ja, nein, ich weiß nicht. 87,9, da kam die Musik heraus. Aber nur, wenn ich in Ihrer Nähe bin.«
    »Deshalb also. Ich habe mich schon gewundert, weshalb da jemand so dicht auffährt. Der silberne Škoda, ja?«
    »Der Škoda, ja.«
    Der Mann zog sich lachend einen Stuhl heran. Dann fragte er sie, ob sie Zeit hätte. Sie bestellten etwas zu trinken.Sein Blick schmunzelte stumm. Auch ungläubig. In ihr flatterte es. Sie hätte etwas sagen wollen, konnte aber nicht. Er trank seinen Espresso in ein, zwei großen Schlucken, dann setzte er zu seiner Erklärung an.
    »Ich höre Jingles, wenn ich lange Strecken fahre. Zurzeit arbeite ich an einer Komposition für einen Auto-Spot. Es soll etwas Aufregendes sein, etwas Bewegendes, mit Ethno-Elementen und einem Rhythmus, der unter die Haut fährt. Und weil ich wieder einmal die alten Samples anhören wollte, habe ich mir die auf mein TomTom gespielt. Mein Navi. Man kann Musik auf sein Navi speichern, wussten Sie das? Und um sie via Autoradio zu hören, weil da die Boxen ja doch viel besser sind, als wenn man nur diesen kleinen Ausgang beim TomTom benutzt, bedient man sich einer freien Frequenz. 87,9 ist frei im Raum Zürich. Erstaunlicherweise sogar bis hier hinauf. Ich weiß allerdings nicht, wie lange das noch geht, vielleicht mischt sich bald ein regulärer Sender ein, Radio Liechtenstein etwa, dann muss ich auf eine neue Frequenz ausweichen.« Er lachte. »Ich habe nicht gewusst, dass man das auch über den eigenen Wagen hinaus empfangen kann. Erstaunlich. Sie haben das also auch gehört?«
    »Alles. Gehört. Und mich gewundert.«
    Eine kleine Pause trat ein, die Aude unglaublich verlegen machte. Als sie sich wieder aufzublicken getraute, sah sie in helle braune Augen. »Ich bin Tom. Tom Münsinger.«
    »Ein schwäbischer Komponist.«
    »Das gibt’s.« Er lachte wieder.
    »Aude Senigaglia. Freut mich.«
    »Erstaunlich.« Er lachte noch immer. »Und du bist Ornithologin?«
    »Ich nähere mich meiner Umwelt mit meinem Gehör. Deinen Akzent hab ich so verortet.« Sie wusste auch nicht, weshalb sie das jetzt gesagt hatte. Augenblicklich wurde ihrheiß im Nacken. Als ob sie die Stille nicht gewohnt wäre. Aber die Stille zwischen zwei Menschen, die auf Empfang waren, und die Stille, die bei der Beobachtung einer zu erforschenden Spezies herrscht, unterschieden sich eben doch ganz gehörig voneinander.
    Er hätte gern fragen können, wie ihr seine Musik gefallen hat, oder welches Stück sie sich am ehesten für eine Autowerbung vorstellen könnte, aber er tat es nicht. Aude wartete darauf, dass ihr vielleicht etwas einfallen würde. Sie blickte sich suchend um. Wieder waren da gesprenkelte braune Augen. Sie wich aus und starrte auf die Sieben Churfirsten, die nun wie unverrückbare Blöcke trutzten. Wem? Was?
    »So, also …«, versuchte sie, und er sagte: »Du musst nach Vaduz?«
    »Ja, wir treffen uns da in –«, sie schaute auf die Armbanduhr, »– in dreißig Minuten.«
    »Das schaffst du ja noch bestens. Ich fahre ein Stück weit in dieselbe Richtung. Ich muss nach Buchs ins Rheintal hinein. Ich war noch nie da. Deshalb das Navi.«
    »Und für die Musik.«
    »Und für

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