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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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Berufsehre verletzt, schaute er der Gräfin frontal ins Gesicht und erwartete ihren Todesstoß. Diese überlegte einen theatralischen Moment lang, ob sie sich ihrer Lieblingskatze, dem ehemaligen und so zuverlässigen Zuchtkater, nicht einfach hinterherstürzen und verbrennen, verbrennen, in Feuer und Flamme und beißendem Rauch aufgehen wollte, besann sich dann aber offenbar eines Besseren und wandte sich gelangweilt ab. Ihr Spielchen hatte sie erschöpft. Ohne ein weiteres Wort über die Sache zu verlieren, winkte sie den Mann ihrer verblichenen Träume hinaus. Hinaus, hinaus, sie wollte jetzt mit ihrem Gram alleine sein.
    Dazu musste man František nicht zweimal auffordern. Noch immer voller Empörung und heißen Zorns hastete er aus ihren Gemächern, durch die Flure, die langen Korridore, durch die Flügeltüren und die vielen Treppchen und Treppen hinab bis in sein eigenes Refugium, den Raum, indem er Herr über alle Dinge war, am meisten aber über sich selbst. Er konnte nicht umhin, sich Vorwürfe zu machen. Er hatte es gewußt. Trotz seiner erst dreiundzwanzig Jahre, trotz seiner Unerfahrenheit mit dem weiblichen Geschlecht, den heimlichen Umgang mit Alžbeta nicht mit einberechnet, hatte er immer gewusst, dass er in die leeren, sperrigen Nester der Damen des Hofes Eier der Hoffnung gelegt hatte, die sie mit der Verzweiflung und Inbrunst jener, die geliebt werden wollen, gehütet und ausgebrütet hatten. Nur, dass aus ihnen nie etwas geschlüpft wäre, was den Namen lebendig verdient hätte. Nur, dass es nie wirklich zu einer liebevollen Begegnung gekommen war zwischen ihm und ihnen. Außer der einen. Denn ein Ei hatte er befruchtet. Aus Unwissenheit, Dummheit oder, wie die Gräfin sagte, Blindheit auch. In einem pochte ein lebenshungriges Herz. Und seine Alžbeta würde es sorgsam ausbrüten, es hegen und pflegen mit einem beträchtlichen Überschwang an Mutterliebe, sie würde es unter ihrem Gefieder beinahe ersticken, so viel wusste er schon heute, mit dieser immensen, alles verschlingenden, alles für sich beanspruchenden Liebe, mit dieser bezwingenden Lust am Leben, dieser so alles andere als verachtenswerten Sinnlichkeit.
    Und während die anderen Damen zu Hofe noch munter gegeneinander intrigierten und sich gegenseitig damit austricksten, dass sie überraschend schöner, überraschend spezieller, überraschend reicher ausstaffiert auftraten und durch die ungezählten Zimmer des Schlosses wandelten, packte František Schön seine Tücher, Bänder, Banderolen zusammen, seine Schachteln und Instrumente, und sehnte sich mit einer nie gekannten Heftigkeit der Berührung seiner Alžbeta entgegen, ihren Glockenbrüsten, ihrem geschwungenen Schlüsselbein, der hohen breiten Stirn, ihrem lachenden Mund.
    Ja, die Frauen hier in Kassa waren dafür bekannt, dass siehandelten, während ihre Männer träumten. Aber er, František Schön, Künstler seines Faches, begehrtester Sheitlmacher Oberungarns, würde nun auch ein Handelnder. Er würde furchtlos sein und entschlossen in ein Leben voll der Ungewissheit gehen.

erschöpft
    Livorno/Ferrara, 1859
    Gerüche wurden für sie zur Tortur, das tägliche Bereiten der Mahlzeit erschöpfende Herausforderung. Und was noch schlimmer war: Ihre Haut wurde ganz schuppig. Nicht, dass sie seit ihrer Zwangsheirat viel für sich selbst empfunden hätte, sich selbst mehr als nötig berührt hätte, aber als Kind hatte sie doch einen recht ungezwungenen Umgang mit ihrer Körperlichkeit gelebt und selber auch nie an ihrer Größe Anstoß genommen. Nun aber war dieser ganze lange Körper von Schuppen übersät, hauchdünn nur, aber doch so irritierend, so peinlich. So fehl.
    Ihre sonst so tadellosen Zähne waren blutgerändert, so, als ob ihr Zahnfleisch sich lösen würde. Und ihren Hunger konnte sie kaum mehr dämmen, sie schlang, während ihr Mann bei der Arbeit war, wie ein Wildschwein alles und jedes in sich hinein. Dennoch blieb sie dünn und wirkte ausgezehrt.
    Das blieb auch Lazzaro nicht verborgen, und er versuchte sich dazu zu überwinden, bei seinen nächtlichen Visiten bei ihr mehr als nur erschöpfte Befriedigung zu empfinden, diese kurzlebige Lüge von trauter Zweisamkeit, sondern auch echte Zuneigung, Mitgefühl. Aber seit einiger Zeit fühlte er sich bei seinen Gespielinnen tatsächlich wohler, runder und erfüllter nach einem Liebesakt, und das Emporsteigen zum Schlafgemach seiner Frau verkam zu bloßer Gewohnheit. Und so häufte er in seinem Kopf allerlei Bilder von

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