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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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Schilfrohrgeflecht, passend zum Schaukelstuhl. Schräg hinter der Gräfin ihr nach eigenen Entwürfen geschnitztes und bemaltes Himmelbett mit dem orientalisch anmutenden Baldachin, blau gefärbtes Leinen von hellem Seidentüll umschmeichelt, den er selbst ihr noch beschafft hatte. Ein moderiger Geruch stach ihm in die Nase, und er wandte sich ab. Betrachtete forschend die bejahrten Wände, jede anders, jede üppig verziert, als fielen dort tatsächlich Girlanden von Blüten herab. An der Südwand angelehnt der präsentable Kleiderschrank mit den kunstfertigen Intarsien, Bein in Nussbaum, und einem meisterhaften Beschlagwerk aus silbernen Seepferdchen, Muscheln, Kranichen und Sternen. Still und statisch die eiserne Geldtruhe gleich daneben und daran anschließend wiederum die Truhe mit den Stoffen. Alles da. Auch der Kachelofen und die vor Ewigkeiten gesprungenen Kacheln oben in der Ecke, bemalt mit biblischen Szenen. Unverändert auch die schweren Orientteppiche mit ihren symmetrischen gelb-lila Mustern, das elfenbeinfarbene Sofa mit den geschnitzten vergoldeten Rosenzöpfen, wackelig auf filigranen Beinen. Der Samt sieht auch schon reichlich verschossen aus, dachte František bestürzt, und seine Blicke glitten weiter über die bestickten Kissen aus Wildseide, noch einmal eine Panoramasicht rundherum, auf und ab über all die nutzlosen Gegenstände verblichenen Prestiges. Und sosehr er sich auch anstrengen mochte: Es war alles, alles da, alles, wie immer.
    Dann jedoch fiel sein Blick auf etwas Pelziges, Geschecktes, das auf einem der sechs Stühle mit Wachsleinwandbezug lag, wie absichtlich hingeworfen. Die Welt hielt ihrenAtem an. Konnte das sein? Das war doch nicht etwa schon wieder ein … mit einem Satz war die vigilante Gräfin bei der toten Katze angelangt und riss den schlecht verarbeiteten Balg hoch, dass einzelne Fellbüschel durch die Luft flogen wie böse kleine Schwüre. »Siehst du, was du uns mit deiner dummen, dummen Flucht angetan hast, du Einfältiger? Siehst du das große Unglück, das über uns alle kommt, wenn du auch nur zwei Tage fort bist? Sieh doch hin, du mit Blindheit Geschlagener!«
    František Schön wusste nicht, wohin mit seinem Blick. Seine Augen suchten irgendeinen Ankerpunkt, an dem er innehalten und geradeaus denken konnte. Da war also dieser blöde alte Kater gestorben, was kümmerte das ihn, hatte wohl zu viele der Ratten gefressen, für die der Koch neuerdings Gifthäppchen auslegte, und war selber daran verreckt, oder vielleicht war er auch dem eigenen Alter erlegen, und der Katzi-Katzi-Knochenmann hat ihn endlich heimgeholt, seine Zeit für gekommen gehalten … nur: Was hatte das mit ihm zu tun?
    Aber die Gräfin war ja völlig besinnungslos. Immer weiter stoben die losen Fellteile durch die Luft, schwebten ihm ins Gesicht, in die Nase; ihr Gekreisch in seinen Ohren.
    Ganz einerlei, in welchen Kreisen oder mit welcher Nation, welchem Berufsstand und welchem Geschlecht man es auf dieser Welt zu tun hatte: Es gab immer eine vordere und eine hintere Bühne, und sobald man hinter die Kulisse blickte, wurde alles, was sich auf der Bühne zelebrierte, entmystifiziert und gemein.
    Von einem Moment zum anderen verstummte die Gräfin. Sie tat einen bestimmten Schritt auf ihn zu, er sah erschrocken, wie sich ihre eingefallene Brust gegen das Hemd abzeichnete, dann legte sie ihm das zerzauste Etwas andachtsvoll in beide Arme und sprach: »Hier. Mach etwas daraus. Fertige mir ein Haarteil, wie es die Welt noch nichtgesehen hat. Striegle und kämme das Fell, bis es wieder glänzt. Dann verarbeite es zusammen mit den teuersten Materialien, die du in deinem dummen kleinen Regal lagern hast. Beschaff dir Zubehör, Flitter, Glitter und Firlefanz. Kosten spielen keine Rolle. Kordle, locke oder zwirble Fleckis Haare, und stell sicher, dass du einzelne Strähnen mit seinem eigenen Blut färbst, das wir dir extra aufbewahrt haben. Du kannst es dir beim Schlachter abholen.«
    Völlig vor den Kopf gestoßen, verbeugte sich František mechanisch, blieb aber wie angewurzelt vor ihr stehen. Fleckis sterbliche Überreste, oder eher die Reste der Überreste, in seinen Händen.
    Gräfin Csökes Augen schleuderten ihm Blitze entgegen. Und gerade als sie zu einer neuen Auflage anhob und an sein Pflichtgefühl appellieren wollte, fiel er aus seinem Schockzustand und schmetterte den Balg in hohem Bogen in den offenen Kamin. Augenblicklich roch es angekokelt, unnatürlich, dramatisch, fremd. In seiner

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