Die Runde der Rächer
beiden oberen Geschosse sahen aus, als wären sie durch eine Explosion zerstört worden. Dachbalken ragten kreuz und quer als nackte, verkohlte Arme in den Nachthimmel.
Wir vernahmen keinen fremden Laut, kein verdächtiges Geräusch und sahen auch nur wenig Helligkeit. Die meisten Fenster in unserem Blickfeld glichen dunklen Augen. Hinter einigen zeichnete sich ein schwacher Lichtschein ab, der aber nie den Boden erreichte und ihn im Dunkeln ließ wie einen großen gefährlichen Sumpf, der hier von den Händen irgendwelcher Dämonen angelegt worden war.
Rücken an Rücken standen wir. Die Berettas hielten wir in den Händen. So wie wir aussahen, hätten wir auch ein Motiv für ein Filmplakat abgeben können mit dem Titel »Zwei, die nicht mehr weiter wissen«. Im Moment sah es tatsächlich so aus.
Der Hof war nicht besonders groß. Das mochte früher so gewesen sein, aber an die Rückseiten der Häuser war auch angebaut worden, um Wohnraum zu schaffen. Zumeist waren es Buden und Verschläge, die den Namen Zimmer nicht verdienten.
»Sollen wir raten, John? Sind sie da oder nicht?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Ich halte dagegen!«
»Und warum?«
»Weil ich einfach das Gefühle habe, dass sie erschienen sind, um Ethan zu beschützen. Wenn er ihr König ist, sind sie seine Diener. Und die geben so schnell nicht auf.«
»Das ist verrückt.«
»Weiß ich. Aber ist nicht immer wieder das Verrückte normal? So sehe ich das.«
»Ja, einverstanden. Schlag du vor, wo wir anfangen sollen zu suchen. Ich komme mir vor wie ein Blinder, denn um sie zu finden, brauchen wir Licht. Helles Licht. Und das haben wir leider nicht. Oder willst du die Scheinwerfer holen?«
»Bestimmt nicht«, erwiderte mein Freund, der sich von mir entfernt hatte und sich dabei einem Anbau näherte, der nicht besonders hoch, dafür aber schlecht verputzt war. Das sahen wir trotz der miesen Lichtverhältnisse.
Suko blieb vor dem Anbau stehen und legte seinen Kopf zurück. An dieser Seite besaß der viereckige Wulst nicht mal Fenster, und eine Tür war auch nicht zu sehen. Nur eine alte Regenrinne zog sich vom Boden her in die Höhe.
»Ist da was?«, rief ich leise.
Ohne sich umzudrehen, hob Suko die Schultern. »Ich bin nicht sicher.«
Ich blieb neben ihm stehen. »Aber...«
»Es könnte sein.«
Dass Suko in Rätseln sprach, war ich nicht gewohnt, und deshalb fragte ich: »Was hat dich denn so misstrauisch gemacht?«
Er deutete auf die Mauer. Ich trat näher und sah erst jetzt die hellen Flecken, die recht frisch aussahen. Es konnte durchaus sein, dass jemand an dieser Fassade in die Höhe geklettert war und mit seinen Füßen den brüchigen Mörtel abgestreift hatte.
Mein Freund riskierte es jetzt und schaltete seine kleine Leuchte ein. Der Strahl glitt an der Regenrinne hoch, und hier entdeckten wir fast das gleiche Phänomen.
Auch sie war an einigen Stellen abgeschabt.
»Da hat jemand eine Kletterhilfe benutzt, John. Da kannst du sagen, was du willst.«
»Ich will ja gar nichts sagen. Oder nur fragen, ob du auch hochklettern willst!«
»Du hast es erfasst.«
»Dann viel Spaß, Tarzan.«
»Gib mir Deckung!«
Manchmal war Suko wirklich nicht zu halten, und dieser Zeitpunkt war jetzt wieder gekommen. Wenn jemand vor ihm in die Höhe geklettert war, hatte er es wahrscheinlich auf die gleiche Art und Weise getan wie Suko. Sich einmal an der rauen Hauswand abstemmen und zugleich das Regenrohr als Hilfe nehmend. Suko war jemand, der sich geschickt bewegen konnte, das erlebte ich wenig später. Er glitt an der Mauer und am Rohr hoch, als hätte er nichts anderes in seinem Leben getan.
Ich blieb nicht direkt vor dem Anbau stehen, sondern ging einige Schritte nach hinten, um von dort einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Auch von dieser Position aus konnte ich ihm die erwünschte Rückendeckung geben.
Suko hatte die Hälfte der Strecke sicher hinter sich gebracht, als er für einen Moment pausierte. Ich kannte den Grund nicht. Möglicherweise wollte er sich kurz ausruhen oder hatte etwas entdeckt, was mir entgangen war.
Sehr genau behielt ich die Dachkante im Auge. Auch hier in dieser Gegend schaffte es der Wind, irgendwelchen Samen hinzutreiben, und der hatte auch seinen Platz auf dem Flachdach des Anbaus gefunden. Gras fand immer einen Ort, wo es wachsen konnte. Das erlebte ich auch hier. Auf dem Dach waren Büschel entstanden, deren Spitzen über die Kante hinwegschauten und sich im leichten Wind zittrig bewegten.
Suko setzte
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