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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erblinden lassen.
    »Linden Avery?«, rief Liand erneut. »Was ist mit dir? Die Meister werden bald die Verfolgung aufnehmen. Haben sie eure Flucht noch nicht bemerkt, werden sie es jeden Augenblick tun. Willst du ihnen entkommen, müssen wir aufbrechen. Wir müssen sofort weiter!«
    Wir?
    Endlich hörte sie ihn.
    Natürlich mussten sie weiter. Sie hatte zu viel Zeit vergeudet; schon viel zu viel. Tatsächlich war ihr rätselhaft, warum die Haruchai sie nicht schon wieder eingefangen hatten. Wie hatte Liand sie finden können, wenn es den Haruchai nicht gelungen war?
    Aber solche Fragen konnten warten. Eine Flucht war vielleicht noch immer möglich, und Anele würde eine erneute Gefangennahme vermutlich nicht überleben.
    Sie mussten weiter.
    Wir?
    Verdammt noch mal, sie durfte keine Zeit mit Diskussionen vergeuden.
    »Entschuldige, Liand.« Sie schüttelte mit bewusster Anstrengung ihre Zerstreutheit ab. »Du hast recht.«
    Tu etwas, was sie nicht erwarten.
    »Anele kann mit dir reiten. Ich werde versuchen, mit euch Schritt zu halten.«
    Der junge Mann starrte sie an, wusste offenbar nicht, was er von ihr halten sollte. Er begriff nicht – konnte nicht begreifen –, was mit ihr geschehen war. Oder was sie Anele angetan hatte.
    Linden rechnete jeden Augenblick damit, Haruchai über den Hügel kommen zu sehen; sie würden sich wie Raubtiere auf sie stürzen. Leise fluchend beugte sie sich über Anele, zog ihn an einem Arm. Selbst diese kleine Annäherung an den Verächter erfüllte sie mit Abscheu, aber sie ließ den Arm nicht los. »Hilf mir, Liand!«, keuchte sie. Konnte Liand den Alten zu sich auf den Schecken ziehen, wollte sie rennen und rennen, so lange ihre neue Kraft anhielt, so weit und so schnell, wie sie nur konnte.
    Der Alte verkrampfte sich in ihrem Griff, tastete mit der freien Hand hinter sich. Dann kam er unsicher auf die Beine. Hinter dem Blut auf seinen Lippen war sein Gesicht blass, er selbst schwach, als lasse seine unbeugsame innere Stärke ihn im Stich.
    Es war offensichtlich, dass Liand nicht wusste, was er von Linden zu halten hatte, aber er zögerte nicht. Er war mit einem Sprung im Sattel, befestigte das Lasso daran und streckte dann Anele die Hand hin.
    Wir?
    Linden überließ ihm Aneles Arm, und mit ihrer Hilfe zog der Steinhausener den Alten hinter sich auf das Pferd. Unausgesprochene Ängste verzerrten Aneles Züge, als er sich Halt suchend an Liand klammerte. Trotzdem war plötzlich jede Spur von Lord Fouls Anwesenheit aus ihm geschwunden. Von einem Herzschlag zum anderen war er wieder er selbst geworden.
    Liand warf sofort sein Pferd herum. Während Linden neben ihm her rannte, folgte er dem Flussufer in leichtem Galopp nach Süden – zum Ende des Tals, weg von Steinhausen Mithil und den Meistern.
     
    *
     
    Linden staunte über sich selbst, weil sie mit Liands Pferd selbst dort Schritt hielt, wo das Gelände leichten Galopp erlaubte. Wäre sie mit den Wundern der Erdkraft weniger vertraut gewesen, hätte sie vielleicht geglaubt, sie träume das alles nur. Sie war nicht mehr die Frau, die erst vor kurzem entkräftet auf die Knie gesunken war; eine kleine Handvoll Heilerde hatte offenbar genügt, ihre Sterblichkeit vorübergehend außer Kraft zu setzen. Jubelnde Begeisterung erfüllte ihr Herz, während sie rannte. Durch federndes Gras und über weichen Boden trabend, würzige Bergluft in ihrer Lunge, den üppigen Flusslauf neben sich, belebt und durch Heilerde beflügelt, hatte sie das Gefühl, weiter und weiter rennen zu können, bis sie endlich Hoffnung vor sich sah.
    Als das Tal anstieg, veränderte das Flussufer sich jedoch, sodass Liand langsamer reiten musste. Die Hügel wurden steiler und engten den Mithil bei ihrem Anstieg zu den Bergen hinauf stetig weiter ein, während Felsbrocken und andere Hindernisse den schmalen Uferstreifen bedeckten. Hier hätte das Pferd sich ein Bein brechen oder ausrutschen und in den Fluss stürzen können.
    Über Linden und ihren Gefährten waren die Berge scheinbar übergangslos steil und abweisend geworden: ein hoch aufragender gezackter Wall, der die Eindringlinge finster anzustarren schien. Während Linden ihr Tempo verringerte, fühlte sie ihre Lunge nach Atem ringen, als sei die Luft plötzlich dünn und unwirtlich geworden. Keuchend bat sie Liand anzuhalten. »Nur für einen Augenblick. Ich muss nachdenken.«
    Liand zügelte das Pferd, ohne abzusteigen. Die Linien seiner Schultern und Arme zeigten ihr so deutlich, als hätte er

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