Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
getrocknet; aber das erwies sich nun mehr als Fluch denn als ein Segen. Anfangs war sie um alles froh gewesen, was ihren unterkühlten Körper gewärmt hatte, doch im Lauf der Zeit verwandelte die Feuchtigkeit sich in Schweiß und schweres Atmen, und selbst der frische Wind in diesen Höhen reichte nicht aus, um sie abzukühlen. Als die Kraft, die sie Heilerde und Schatzbeeren verdankte, schwand, befiel sie die Angst, sie könnte ihrer selbst gestellten Aufgabe nicht gewachsen sein.
    Mehr und mehr verließ sie sich auf Aneles Unterstützung. Obwohl er ausgemergelt wirkte, erwies er sich als erstaunlich robust; er schien sich bergauf voranzukämpfen, als hätte er nie etwas anderes getan. Seine fast unheimliche Zähigkeit half ihr, den Aufstieg zu bewältigen. Seine Haut, die sie vor Augen hatte, ließ die unregelmäßigen Fluktuationen seines Geisteszustandes erkennen. Ab und zu kam er geistiger Normalität sehr nahe; weniger häufig spürte sie, wie ihm innerlich der finstere Hohn des Verächters zusetzte. Zorn, Kummer und bestürztes Erdulden zogen wie Wetterleuchten über sein Gesicht. Aber er sprach nicht, und sie konnte keine Kraft erübrigen, um sich mit seinem komplexen Wahnsinn zu befassen. Je höher sie mit zitterndem Schritt kam, desto weniger war sie sich seiner bewusst; sie klammerte sich nur an ihn und kämpfte sich weiter voran.
    Vor ihnen kamen Liand und sein Pferd müheloser voran, sodass sie oft auf die beiden warten mussten. Obwohl Somos Hufe die dünne Erdschicht immer wieder lostraten, hatte der Mustang trotz seiner alten Verletzung noch reichlich Kraft. Und Liand besaß die typische Zähigkeit eines Steinhauseners. Sein Pferd und er würden noch lange unterwegs sein können, wenn Linden bereits zusammengebrochen war. Die anderen waren ihretwegen hier; trotzdem wären ihre Fluchtchancen ohne sie weit besser gewesen.
    Dann rief Liand ihr aufmunternd zu: »Bald, Linden Avery!« Als sie aus ihrer benommenen Konzentration aufblickte, sah sie ihn am Rand des Geröllfelds stehen. Mit gesenktem Kopf zwang sie ihre zitternden Muskeln, sie an seine Seite zu tragen.
    Er hatte bereits einen Wasserschlauch aus einem seiner Bündel geholt; jetzt hielt er ihn ihr hin. Sie hob ihn mit zitternden Armen an die Lippen und trank, bis die Schmerzen in ihrem trockenen Mund und ihrer wunden Kehle abgeklungen waren; dann gab sie den Wasserschlauch an Anele weiter.
    Während der Alte trank, packte Liand etwas Brot und Dörrobst aus. »Wir sollten hier nicht verweilen, wo die Meister uns vielleicht entdecken könnten. Ich fürchte jedoch, Linden Avery, dass du am Ende deiner Kräfte bist. Und Somo kann dich in diesem steilen Gelände nicht tragen. Unsere Flucht muss fehlschlagen, wenn unsere Eile unsere Kräfte übersteigt.«
    Er gab erst ihr, dann Anele zu essen, und Linden bedankte sich mit einem Nicken. Sie war zu sehr außer Atem, um sprechen zu können. Langsam kaute sie Brot und Dörrobst und versuchte sich vorzustellen, wie Kraft durch ihre Adern strömte, die Kammern ihres Herzens füllte. Jeremiah brauchte sie. Sie würde ihn nicht im Stich lassen. Während sie aß, begutachtete sie den vor ihnen liegenden Anstieg und versuchte sich einzureden, dass sie ihn würde meistern können. Dass sie sich selbst würde meistern können.
    Liand ließ sie eine Zeit lang in Ruhe, gab ihr Gelegenheit, neue Entschlossenheit zu sammeln. Aber seine nervöse Anspannung wuchs, während er wartete, sodass er schließlich fragte: »Kannst du weitergehen, Linden Avery? Bis wir außer Sicht sind, ist jede Verzögerung gefährlich.«
    »Ich tu es«, murmelte sie. »Ob ich kann oder nicht.« Dann bedachte sie ihn mit einem schiefen Lächeln. »Aber du musst aufhören, mich ›Linden Avery‹ zu nennen. Ich komme mir wie in der Kirche vor.« Dort hatte sie als Kind allzu viele Stunden verbracht: in ihrem einzigen Sonntagskleid unruhig auf der Bank hin- und herrutschend, während der Geistliche die Gottlosigkeit der heutigen Zeit beklagte – ein Geistlicher, der nichts von ihrem Schmerz wusste ... oder von dem ihrer Mutter. Aber sie konnte nicht erwarten, dass Liand solche Dinge verstand. »Ich bin einfach ›Linden‹«, fügte sie hinzu. »Das genügt. Ich halte nichts von Förmlichkeiten.«
    Er starrte sie an, als hätte sie ihn aufgefordert, eine Respektlosigkeit zu begehen. »Also gut«, sagte er vorsichtig. »In Zukunft bist du ›Linden‹ für mich.« Dann wandte er sich ab, um Somos Bündel wieder zu packen.
    Auch Anele schien es

Weitere Kostenlose Bücher