Die Runen der Erde - Covenant 07
auf.
»Ah, Ring-Than«, seufzte Hami mit einem wehmütigen Lächeln, »weile in Frieden unter uns. Von den Ramen hast du nichts zu befürchten. Die Ranyhyn haben dich akzeptiert. Wir werden uns nicht gegen dich wenden, obwohl die Gefahr, der du sie aussetzen willst, unsere Vorstellungskraft übersteigt.«
»Aber wenn du meinen Rat annehmen willst«, warf Mahrtiir ein, »gestattest du mir, dich zu begleiten. Es wird dir nützen, einen Begleiter zu haben, der sich um die Ranyhyn kümmern kann, wenn du verhindert bist. Als Späher bin ich so gut wie jeder Ramen – als Kämpfer ebenso. Und ich bin abgehärtet und kenne mich auf der Erde aus. Ich kann für Nahrung und Unterkunft sorgen, wo es keine zu geben scheint. Was wirst du essen, wenn du keine Aliantha findest?« Er sprach so rasch, dass er sich beinahe verhaspelte. »Wo wirst du schlafen, wenn du keinen Unterschlupf hast? Wer wird dich verteidigen, wenn du auf Feinde stößt? Was wirst du ...«
Mahrtiir verstummte abrupt, als Hami ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er sah Linden bittend an, während er wiederholte: »Gestatte mir, dich zu begleiten.« Dann verstummte er.
Er machte ihr Sorgen. Linden wusste bereits, dass Staves Wissen und Stärke ihr fehlen würden. Mahrtiir bot ihr vieles an, das sie nicht selbst beschaffen konnte – und vernünftigerweise nicht von Liand oder Anele erwarten durfte. Trotzdem zögerte sie. Sie wusste nicht recht, ob sie dem Mähnenhüter trauen konnte. Er schien allzu eifrig darauf bedacht zu sein, etwas zu beweisen ...
Aber konnte sie es sich leisten, irgendwelche Hilfe zurückzuweisen? Sie würde mehr Unterstützung brauchen, als Mahrtiir ihr gewähren konnte. Außer den Ramen konnten ihr jedoch nur Esmer und die Urbösen helfen, und sie hatte keine Ahnung, wie sie sie fragen sollte.
Sie nickte Mahrtiir langsam zu. »Wenn du bereit bist, das Risiko auf dich zu nehmen. Wenn deine Leute dich nicht hier brauchen.«
War er denn nicht für Seilträger verantwortlich? Was würde aus ihnen werden? Sie konnte unmöglich Ramen, die so jung waren wie Pahni und Char, Mädchen und Jungen, Kinder, in eine Zäsur führen.
Aber Mahrtiirs Blick flammte auf, als hätte sie Zunder in Brand gesetzt, und Hami und Dohn versuchten nicht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Stattdessen fragte der ältere Mähnenhüter: »Wie willst du zurückkehren?«
Linden, die ihre Absichten nicht preisgeben wollte, blinzelte ihn scheinbar verständnislos an, doch Dohn erwiderte ihren Blick nicht. Er starrte wieder in die Berge hinauf, hielt Ausschau nach Esmer und seiner Kraft.
»Du begibst dich in einen Sturz«, erläuterte er ruhig, »in einen Bruch in der Zeit, und lenkst ihn in die Vergangenheit. Dort angekommen, suchst du den Stab des Gesetzes. So weit, so gut. Aber wenn du ihn gefunden hast ...« Sein Tonfall besagte: falls du ihn findest. »... was dann? Bestenfalls dauert deine Suche nur Stunden. Sie kann aber auch tagelang dauern. In dieser Zeit zieht der Sturz weiter. Vielleicht hört er ganz zu existieren auf. Dann sitzt du in der Vergangenheit fest und bist ebenso wenig imstande, deinem Sohn zu helfen wie jetzt. Wie willst du zurückkehren?«
Ohne es zu ahnen, forderte er Linden auf, ihre schlimmste Angst in Worte zu kleiden. Seit sie in der vergangenen Nacht an Staves Bett wachend die Wahrheit erkannt hatte, hatte sie es vermieden, über sie nachzudenken; sie sich einzugestehen. Trotzdem hatten die Ramen eine Antwort verdient. Erst recht verdiente Liand eine. Lindens Puls klopfte in ihren Schläfen, als sie antwortete: »Kann ich die erste Zäsur nicht mehr benutzen, muss ich selbst eine neue erschaffen.«
Während ihres Transfers in das Land hatte sie gesehen, wie sie die Schlange des Weltendes mit weißem Feuer weckte. Vielleicht hatte Lord Foul sein Ziel schon erreicht. Vielleicht hatte er durch die Entführung Jeremiahs die Zerstörung des Landes sichergestellt. Schätzte sie ihre Macht oder sich selbst oder die Stabilität des Bogens falsch ein, konnte sie das Ende der Zeit bewirken.
*
Nicht weil sie noch hungrig war, sondern aus dem Bedürfnis nach einer simplen Tätigkeit, die sie beruhigen konnte, nahm sie ihren Platz wieder ein, um noch etwas Wasser zu trinken und die Schale leer zu essen. Wollte sie den Weltuntergang riskieren, würde sie es wenigstens mit vollem Magen tun.
Von trübseligen Gedanken beherrscht, aß sie Früchte und Käse, ohne sie zu schmecken; trank Wasser, ohne die Beklemmungen hinabspülen zu
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