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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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war auf eine Hochspannungsleitung gefallen. Die Lichtkegel ihrer Scheinwerfer schienen unmittelbar vor dem Auto zu Boden zu sacken, als seien sie außerstande, die plötzliche Dunkelheit zu durchdringen. Linden reagierte instinktiv: Sie trat scharf auf die Bremse, sodass der Wagen schleudernd zum Stehen kam. Doch schon im nächsten Augenblick gab sie wieder Gas und versuchte, trotz Gegenwind schneller zu fahren. Sie kannte diese Straße – sie führte fast kreuzungsfrei und mit nur wenigen Kurven aus der Stadt zur Haven-Farm hinaus. Und bis zur Haven-Farm waren es nur zwei Meilen. Um den Verkehr brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, und wenn der zunehmende Sturm sie nicht von der Straße blies oder der Blitz sie treffen würde ...
    Roger war bereits dort: Ihre Ängste orteten ihn so deutlich, dass sie kaum etwas anderes glauben konnte. Sie schien ihn durch die Windschutzscheibe zu sehen: Seine mild salbungsvolle Art in Eifer verwandelt, seine Zähne gefletscht. Er hatte das Farmhaus erreicht. Er war drinnen. Mit einer Hand schleppte er Jeremiah mit; in der anderen hielt er seine Schusswaffe. In ihrer Fantasie stand Entsetzen in Jeremiahs Blick, und sein schlaffer Mund schien kurz davor zu sein, Klagelaute auszustoßen.
    Sara oder Sandy konnte sie nicht sehen; sie konnte auch nicht erraten, was Roger ohne Strom tun würde. Vielleicht loderte sein Wahnsinn inzwischen so hell, dass er kein Licht brauchte.
    Böen rüttelten den Wagen derart durch, dass seine Vorderräder sekundenlang die Bodenhaftung zu verlieren schienen. Blitze erhellten den Asphalt und ließen ihn gleich wieder in finsterstes Dunkel versinken. Linden kämpfte darum, auf der Straße zu bleiben, trat das Gaspedal etwas weiter durch und fuhr schneller. Sie fürchtete, Lytton könnte die Haven-Farm vor ihr erreichen – und hatte zugleich Angst, er könnte zu spät kommen. Rogers Verhalten würde im Lauf der Zeit immer extremer werden.
    Dort vorn rechts: der unbefestigte Weg, der als Zufahrt zur Haven-Farm diente. Eine Viertelmeile von der Straße entfernt, durch freie Felder von ihr getrennt, vor dem Wäldchen, das sich um den Righters Creek zusammendrängte, unsichtbar, stand das kleine Farmhaus, in dem Thomas Covenant gelebt hatte. Linden kannte es gut, obwohl sie seit Jahren nicht mehr darin gewesen war. In ihrem Gedächtnis war die Zuordnung der Räume gespeichert. Selbst jetzt, wo Jeremiah in Gefahr schwebte und ihre Nerven kampfbereit waren, konnte sie Covenants ausdrucksstarken Blick sehen, als er versucht hatte, sie daran zu hindern, seine Gefahr zu teilen. Und dort vorn, keine zwanzig Meter von der Hauptstraße entfernt, lag die Stelle, wo sie Angst und Abscheu überwunden hatte, um dem Alten in der ockerfarbenen Robe das Leben zu retten ...
    ... der sie ermahnt hatte: Sei getreu ... und der sie bei Gott hätte warnen sollen, dass Jeremiahs Leben in Gefahr war.
    Mit im Schlamm durchdrehenden Reifen fuhr sie bei einem Wind, der allmählich Tornadostärke erreichte, weiter auf das Farmhaus zu. Dann erfasste ein schwacher Lichtkegel eine Außenwand des Hauses. Sie war einst weiß gewesen, aber jahrelange Vernachlässigung hatte unter dem abblätternden Anstrich graues Holz zum Vorschein kommen lassen, und einige Bretter der Holzverkleidung hatten sich gelöst. Hinter den Fenstern brannte kein Licht; anscheinend war auch dieser Teil der County von dem Stromausfall betroffen. Sonst, das wusste sie bestimmt, hätte Roger zu ihrem Empfang wie in ihrem Haus alle Lampen eingeschaltet.
    Mit einer Schlammfahne, die der Sturm sofort verblies, hielt Linden an.
    Neben dem Haus stand eine dunkle Limousine: Rogers Wagen. Er hatte die Türen geschlossen, aber den Kofferraum offen gelassen. Der schwache Lichtschein seiner Innenbeleuchtung schien den Rest des Fahrzeugs auszulöschen, sodass nur der Kofferraum sich irgendeine Art Realität in dieser Welt bewahrte. Nur der Kofferraum und was immer Roger darin transportiert haben mochte ...
    Einen Augenblick lang fürchtete sie, er müsse Jeremiah darin befördert haben, und wäre fast aus dem Auto gesprungen, um voller Wut vorzustürmen. Aber nein, das hätte Roger aus einem einfachen Grund nicht getan: Es war nicht notwendig gewesen. Genau wie Joan würde Jeremiah ihm keine Schwierigkeiten gemacht, keinen Widerstand geleistet haben. Was auch geschehen sein mochte, ihr Sohn würde sich kniend vor und zurück wiegen, wo immer man ihn absetzte: passiv dem Untergang geweiht. Roger musste seinen Kofferraum dafür

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