Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
hinten.«
Raed machte eine kleine Verbeugung und bedeutete ihr, dem Jungen zu folgen. Sorcha war froh darüber, denn sie war sich gewiss, dass der Kapitän die Wirkung seiner Nähe auf sie bemerkte. Blöd.
Der Rest ihrer Gefährten war erschöpft und hatte sich zum Schlafen in die Kajüten zurückgezogen. Nur Merrick war noch da. Sorcha hatte den Eindruck, er sei binnen zwei Wochen um Jahre gealtert. Für Noviziatsabgänger war das normal, aber Sorcha stellte fest, dass seine angespannte Miene sie mit Mitgefühl erfüllte.
Wortlos warteten sie zu dritt auf dem Oberdeck, während die Mannschaft der
Sommerhabicht
eilig die Halteleinen losmachte. Sorcha mochte das alles schon einmal gesehen haben, aber es war trotzdem beeindruckend. Sobald die Leinen gelöst waren, schwebte das Luftschiff empor – notfalls mit über hundert Soldaten. Außer dem Wind war nur das Knarren des Rumpfs zu hören. Der Wehrsteinantrieb war stumm, und Sorcha musste zugeben, dass er unheimlich war.
Raed und Merrick beobachteten, wie der Boden sich unter ihnen entfernte. Nicht viele Menschen bekamen die Chance, mit einem Luftschiff der Kaiserlichen Flotte zu fliegen, und viele würden das auch gar nicht wollen.
»Alles ist so klein«, bemerkte Merrick, während sie höherstiegen. Die Hügellinie und das Meer breiteten sich vor ihnen aus.
»Da ist Ulrich.« Raeds Unbehagen schien Bewunderung gewichen zu sein, als er auf die graubraune Ansammlung von Häusern deutete. Er zerrte sein kleines Fernglas heraus und richtete es auf die Stadt. »Und ich kann die
Herrschaft
sehen. Unglaublich!«
Merrick gähnte. »Ja, absolut. Aber ich fühle mich wie von einem Pferd überrannt.«
»Ihr müsst nicht aufbleiben.« Sorcha spürte seine Erschöpfung zu ihr durchdringen. So müde war sie nun auch wieder nicht. Je eher er Schlaf bekam, desto besser für sie.
Er warf ihr einen Blick zu und lächelte wissend. »Also gut.« Kaum hatte er sich abgewandt, hielt er inne, und Sorcha spürte, wie er sein Zentrum öffnete. Es war nur für einen Moment, wie ein Hund, der die Nase hob, um zu wittern. Sie fing den schwachen Eindruck eines Lachens auf, als er in seine Kajüte trat und die Tür schloss. Sehr merkwürdig. Aber andererseits hatte ihr Partner einige lange Tage hinter sich.
Sie schüttelte den Kopf und merkte, dass ihr wärmer wurde. Raed sah sie jetzt an, und das ganz anders. Durch die Verbindung kannte sie unvermeidlich seine Gedanken, und ihr war vollkommen klar, dass er unbewusst ihre Gedanken kostete. Sie hatte die Verbindung nicht erwähnt und würde sie auch nicht erwähnen, und doch umschloss sie sie beide mit Verlangen – wie eine Schlange, die in ihren Schwanz beißt.
»Eine Handvoll Menschen gegen das größte Ungeheuer der Legende.« Raed strich sich den Bart und sah sie von der Seite an. »Das kann böse enden.«
Ihre Hände auf der Reling zitterten leicht. Sie warf einen Blick darauf und fragte sich, wann das zuletzt vorgekommen war. Sie war die starke Diakonin, die mächtigste Aktive der Abtei. In diesem Moment fühlte sie sich alles andere als stark und mächtig.
»Wir sollten schlafen.« Diese wenigen Worte des Prätendenten waren bedeutungsschwer. Er streckte ihr die Hand hin, und sie nahm sie, ohne nachzudenken.
Die Kajüte roch nach gut geöltem Holz. Ein breites Bett, vielleicht das der Kapitänin, beherrschte die Mitte des Raums. Sorcha bemerkte, dass es an Ketten hing, bei Turbulenzen also schaukeln und sich kaum neigen würde. Raed berührte ihre Wange nur ganz zart, doch sofort begann ihr Herz zu rasen.
»Diakonin Sorcha Faris«, flüsterte er, und ihr Name klang auf seinen Lippen unglaublich erotisch. »Ich begehre dich so sehr.«
Diese Augen, die in einem Moment grün und im nächsten blau sein konnten, hielten ihren Blick fest – in ehrlichem Verlangen. Er hatte seine Karten auf den Tisch gelegt, und sein Blick sagte, dass die Entscheidung bei ihr lag. An diesem Punkt hätte Sorcha erwartet, sie würde zumindest zögern, würde bedenken, wer sie war und dass sie verheiratet war, aber schon lange hatte sie diese Welle von Begehren und Gefühlen nicht mehr verspürt. Zu lange.
Sie konnte nicht darüber nachdenken. Sie musste erleben, worauf sie einen Blick erhascht hatte. Er hatte das jedoch offenbar nicht von ihr erwartet, denn im Halbdunkel sah sie, wie seine Augen sich vor Schreck ein wenig weiteten. Sie wollte nur seine Lippen kosten, wollte einen Schnitz der verbotenen Frucht schmecken, doch als sie sich
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