Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
sagen, ich bin auch ein bisschen betagt? Shedryi und ich haben eine echte Beziehung, was man von uns im Moment sicher nicht sagen kann.«
Da er nicht so erfahren mit Pferden war und außerdem Gefahr im Verzug spürte, konzentrierte Merrick sich lieber auf sein eigenes Ross. Als Novize hatte er eine Vielzahl weniger wertvoller Pferde geritten, und erst in den letzten Monaten seiner Ausbildung hatte er eines aus der Zucht bekommen. Er hatte noch kein Lieblingstier und akzeptierte daher die Wahl des Stallmeisters.
Die Stute Melochi war kleiner als Sorchas Hengst, wirkte aber gut proportioniert und fügsamer. Ihre großen, dunklen Augen folgten ihm mit womöglich resigniertem Blick, aber das war besser als der wilde Ausdruck in Shedryis Augen. Merrick nahm sich vor, nicht in die Reichweite des Hengstes zu geraten. Der hatte etwas Boshaftes an sich, als hätte er seine abfällige Bemerkung verstanden. Packmaultier Horace wurde an Melochis Sattelknauf gebunden und schien sich mit seinem Los abgefunden zu haben, der edleren Rasse zu folgen. Merrick fragte sich, ob das auch seine Bestimmung sei.
Nachdem sie Pferde, Maultier und Vorräte überprüft hatte, schwang Sorcha sich auf Shedryi. Merrick hätte schwören können, dass sie ihn immer noch anfunkelte. »Ich gehe davon aus, Ihr könnt gut genug reiten, um mit mir mitzuhalten.«
Er zuckte die Achseln. »Gewinner des Vierhundert-Meter-Galopprennens der Novizen, Zweitplatzierter beim …«
»Ein einfaches Ja würde genügen«, brummte Sorcha und kniff sich mit ihren bandagierten Fingern in den Nasenrücken, als hätte sie Schmerzen.
»Nun … ich nehme es an.«
»Gut, denn der schnellste Weg nach Norden führt über die Straße. Die Flüsse rund um Vermillion sind zu dieser Jahreszeit unberechenbar, und ein Schiff legt frühestens nächste Woche ab.«
»Der Abt braucht uns dort so dringend?« Merrick hatte über die Auswirkungen seiner Partnerschaft mit Sorcha so lange gegrübelt, dass er noch nicht sonderlich viele Gedanken an ihren ersten Auftrag verschwendet hatte. »Ich kann mich mit den Einzelheiten vertraut machen, wenn ich den Bericht lese«, sagte er so ungerührt wie möglich.
Das fand seine neue Gefährtin offensichtlich sehr komisch, und sie kicherte sogar. »Ich lasse Euch unterwegs das Wichtigste wissen, Junge. Auf dem Ritt habt Ihr keine Zeit, Berichte zu lesen, sondern genug damit zu tun, auf diesen Straßen im Sattel zu bleiben.«
Mit diesen Worten spornte Diakonin Faris den Hengst Shedryi und überließ es ihrem fünften und neuesten Partner, sie wieder einmal einzuholen.
Kapitel 4
Hier finden sie keine Zuflucht
Raed ging tief beklommen zum Strand hinunter. Beim Ruderboot warteten fünf seiner Matrosen. Ihnen das kleine Zugeständnis zu erläutern, das er hatte erringen können, wäre ein Vorgeschmack darauf, es dem ganzen Schiff zu erklären.
Den Titel Junger Prätendent hätte Raed niemandem gewünscht, und doch hatte er eine Mannschaft von dreißig Männern und Frauen, die ihr Schicksal an das seine zu knüpfen bereit waren. Er fühlte sich für sie verantwortlich, und ihm war zutiefst bewusst, dass alle seine Entscheidungen Auswirkungen auf sie hatten. Die meisten folgten ihm in der vagen Hoffnung, er werde eines Tages auf dem Thron von Vermillion sitzen, einige andere, weil ihre Familien der seinen Gefolgschaft schuldeten. Keiner von ihnen wollte, dass er die gleiche erbärmliche Existenz führte wie der Unbesungene.
Also fuhren sie jetzt an der Küste entlang, trieben Handel und stahlen, wenn nötig. Einige mochten das Piraterie nennen, aber es war wichtig für sie, in Bewegung zu bleiben. Es machte Raed sogar leicht nervös, sich so lange an Land aufzuhalten. Deshalb eilte er nun den Klippenweg zu seiner Mannschaft hinab, obwohl er wusste, dass er schlechte Nachrichten brachte.
Aachon, sein Erster Maat, beobachtete ihn mit der für ihn so typischen Eindringlichkeit. Die Kleidung des älteren Mannes war so zerlumpt wie die aller anderen, doch er sah besser darin aus als selbst Raed. Dank seines olivfarbenen Teints und des dunklen Haars hätten sogar Fetzen an ihm edel gewirkt. Aachon kümmerte sich seit Jahren um Raed, nachdem dessen Vater, der Unbesungene, den Prätendenten in seine Obhut gegeben hatte, und nahm diese Pflicht ungemein ernst.
»Wie wurde Euer Ersuchen aufgenommen, mein Prinz?«
Raed hatte Aachon dazu bringen wollen, ihn bei seinem Geburtsnamen zu nennen; die Bitte oder sogar der Befehl zeigte jedoch nie lange
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