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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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der
Korsar.
    Fast wäre Raed beim ersten Schritt ausgerutscht. Schiffe waren grausam: Solange die Speigatts blockiert waren, blieb das Blut an Ort und Stelle. Und es war sehr, sehr frisches Blut, und die Abflussrinnen waren durch Unmengen von Leichen blockiert.
    Nicht, dass er oder Aachon so etwas zum ersten Mal sahen: In seiner Jugend hatte es eine Menge Schlachten mit den Prinzen gegeben. Viele waren ins Exil des Unbesungenen gekommen, um ihn zu töten, und Raed hatte für seinen Vater gekämpft. Das hier war jedoch etwas anderes.
    Seine Sinne waren nur die eines normalen Sterblichen, und so konnte er sich kaum vorstellen, was sein Erster Maat durchmachen musste. Der Gestank von entleerten Eingeweiden, von Blut und Furcht lag dicht und schwer über dem Deck. Beide Männer nahmen sich einen Moment Zeit, um sich körperlich und geistig zu wappnen.
    Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre jeder Soldat und jeder Seemann auf Deck gestorben. Auf dem Weg nach achtern, wo vermutlich Kapitän Moresh gestanden hatte, wälzten Raed und Aachon mitunter einen Toten herum, um festzustellen, woran er umgekommen war.
    Raed begriff schnell, dass alle des gleichen Todes gestorben waren, und zwar nicht von Menschenhand. Keine Kugel hatte den Seemann durchbohrt, den er in Augenschein nahm, noch war er erdolcht oder mit einem Säbel oder Entermesser getötet worden. Der Prätendent hatte auf der Insel seines Vaters Wildschweine gejagt und mit eigenen Augen gesehen, wie Männer aufgeschlitzt worden waren. Jene Verletzungen ähnelten diesen hier ungemein und schienen von einer wütenden, gewaltigen Bestie mit Stoßzähnen zu stammen, die zehnmal größer waren als die eines jeden ihm bekannten Tiers.
    Als er den Arm des unglücklichen Toten berührte, kribbelten seine Fingerspitzen. Keuchend fuhr Raed hoch, schüttelte die Hand aus und spürte, wie er eine Gänsehaut bekam.
    »Mein Prinz?« Aachon war an seiner Seite, den Wehrstein in der einen, das Entermesser in der anderen Hand. Die Kugel spiegelte nur Blau wider.
    »Schon gut, schon gut«, gab Raed zurück und schüttelte ein letztes Mal die Hand aus. Diese Bemerkung sollte mehr ihn selbst beruhigen als seinen Freund. Das Kribbeln legte sich zum Glück, aber der Schock darüber hatte gereicht, um ihn aus seiner Furcht vor den Toten zu reißen.
    Raed ignorierte das Massaker und bahnte sich einen Weg durch die Leichen zum Achterdeck. Hier hatte anscheinend so etwas wie eine letzte Abwehrschlacht stattgefunden. Matrosen hatten Fässer und Taurollen die kurze Treppe zum Hauptdeck hinabgeschoben, um dem den Weg zu versperren, was hier das Blutbad angerichtet hatte.
    Gemeinsam kletterten Raed und Aachon über die improvisierte Barrikade. Was immer die Mannschaft der
Korsar
getötet hatte, war offensichtlich wütend über die letzten paar Überlebenden geworden. Die um das Steuerrad verteilten Überreste waren kaum noch als menschlich zu erkennen. Beide Männer wandten sich für eine Sekunde ab und sogen die etwas sauberere Luft des Seitendecks ein.
    Vorsichtig drehte Raed sich um und gab sich alle Mühe, die Szene leidenschaftslos zu betrachten und nach weiteren Hinweisen zu suchen. Er ertappte sich dabei, das Offensichtliche auszusprechen, nur um es aus dem Kopf zu bekommen. »Das war kein Angriff durch Menschen. Alle Toten sind gut ausgebildete Männer des Kaisers. Sie hätten ein oder zwei Gegner niedergemetzelt … es sei denn, der Feind hat seine Toten mitgenommen, als er von Bord ging …«
    Aachon hob die Kugel; mit wiederum milchigen Augen betrachtete er durch sie hindurch die Szenerie. »Hier ist nur ihr Blut.« Er hielt inne und atmete zischend ein. »Mein Prinz, an Bord ist keine Spur ihrer Seelen. Ein solches Gemetzel … und keine Seelen.« Seine Augen klärten sich, als er den Stein sinken ließ, und blickten unheilverkündend. Sie wussten beide, was das zu bedeuten hatte.
    »Eine Art Geist?«, flüsterte Raed und musterte das Blutbad ringsum. »Aber offenes Wasser … offenes Wasser, Aachon …« Er spürte, wie seine kostbare Sicherheit dahinschmolz und eine kalte Grube der Furcht hinterließ. Das konnte nicht wahr sein.
    Diese Aussicht ließ seinen Freund ebenfalls aschfahl werden. Es war eine Tatsache, die den Diakonen bekannt war, aber auch jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind: Geister konnten keinen Bach überqueren, keinen Fluss und keinen Ozean. Einige niedere Arten ließen sich sogar durch einen vollen Nachttopf bezwingen.
    Raed fragte sich, ob diese
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