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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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kaiserliche Interesse an diesem Gebiet. Bisher hatten sie stets entkommen können, wenn die
Korsar
aufgetaucht war, doch nun lagen sie in einem geschützten Hafen mit wenig Wind vor Anker. Raed gefielen die Aussichten überhaupt nicht.
    Er stellte das Fernglas scharf, um zu erkennen, ob die Stückpforten offen waren. Das war nicht der Fall, aber ihm fielen zwei äußerst seltsame Dinge auf: An Deck war niemand zu sehen, vor allem aber war keiner am Steuer.
    »Beim Blut«, flüsterte er und suchte mit dem Fernglas das Deck ab, bevor er zur Takelage hinaufschaute. Auch dort gab es kein Lebenszeichen, und die Segel waren gerefft, als liefe das Schiff vor starkem Wind statt vor einer leichten Brise. Soweit Raed gehört hatte, verstand Kapitän Moresh sein Handwerk und hatte sein Schiff im Griff. Allmählich verspannte sich der Nacken des Prätendenten.
    »Sie kommt langsam näher«, bemerkte Aachon ohne Fernglas. Er hatte eine Hand an die Augen gelegt und schaute blinzelnd zur
Korsar
hinüber.
    »Klarmachen zum Entern«, befahl Raed gelassen.
    »Aber, Kapitän …« Aachon wollte widersprechen, doch Raed reichte ihm das Fernglas, und dem Maat erstarben die Worte auf den Lippen. Als er das Glas senkte, stand Schweiß auf seiner Stirn. Er wischte ihn mit dem Handrücken weg und legte die andere Hand an sein Entermesser. »Mistress Laython, macht Eure Leute klar zum Entern.«
    Die narbenübersäte Quartiermeisterin grinste. In letzter Zeit hatte es kaum Zusammenstöße gegeben, und ihre Fähigkeiten waren nicht häufig in Anspruch genommen worden. Mit einer Stimme wie ein Nebelhorn rief sie Befehle.
    »Anscheinend hast du den Wehrstein zu früh beiseitegelegt, alter Freund«, bemerkte Raed leise zu Aachon.
    Trotz des traurigen Zustands der
Herrschaft
kannte die Mannschaft ihr Schiff genau und war rasch auf Posten. Mit sachkundiger Ruhe sorgte Aachon dafür, dass seine Leute das Schiff in offenes Gewässer brachten. Binnen einer halben Stunde hatten sie gewendet und passten ihre Geschwindigkeit der des Kriegsschiffs an. Im Näherkommen wurde allen klar, dass sich die
Korsar
in einem schlimmeren Zustand befand als ihr eigenes Schiff. Sie kamen von backbord heran und sahen, dass die Segel völlig zerfetzt waren, als hätte es einen schrecklichen Sturm gegeben. Die Beschädigung des Rumpfs knapp oberhalb der Wasserlinie stammte offenbar nicht von einer Kanonenkugel; eher schien sich etwas seinen Weg aus dem Schiff gebahnt zu haben. Allerdings befand sich die Pulverkammer ganz woanders. Die Hand des Prätendenten schloss sich fester um sein Entermesser.
    Obwohl die
Korsar
sie so lange verfolgt hatte, verspürte Raed echtes Mitleid mit dem einst so prächtigen Kriegsschiff. Es war nur noch ein trauriges Relikt des Stolzes der Kaiserlichen Marine.
    Raed und Aachon standen mit gezückten Waffen an der Spitze der zum Entern bereiten Mannschaft; Laython und ihre grinsende Truppe bildeten die Nachhut. Als sie jedoch längsseits kamen und die Enterhaken hinüberwarfen, wusste Raed, dass es keinen Kampf geben würde.
    Auf Deck lagen überall Leichen im Dunkelgrün der Kaiserlichen Seesoldaten oder im Himmelblau der Marine, obwohl beide Schattierungen viel dunkler waren, als sie hätten sein sollen. Der durchdringende Geruch von Blut lag in einer fast mit Händen zu greifenden Wolke über der
Korsar.
    Mit einem Blick über die Schulter sah Raed, dass die meisten seiner Matrosen sehr bleich geworden waren. Sie waren in erster Linie Seeleute und nicht an Gefechte und Blut gewöhnt.
    »Aachon, zeigt der Wehrstein etwas an?«, fragte er leise.
    Sein Erster Maat hätte protestieren und seinen Kapitän vielleicht daran erinnern sollen, dass sie sich auf offener See befanden, aber nach einem Blick auf das Gemetzel an Bord der
Korsar
zog er stumm die schwere Kugel aus der Tasche.
    Aachons Augen veränderten sich, wenn er in die Kugel blickte; sie wurden milchig weiß, als wäre er blind. Wenn er seine Sicht benutzte, wandte er der Mannschaft stets den Rücken zu, denn er wusste, dass es sie beunruhigte. Als er aus dem Orden ausgeschlossen worden war, hatte Aachons Stolz sehr gelitten. Jetzt hegte und pflegte er das wenige an Talent, was ihm verblieben war.
    Nach einem Moment klärten sich seine Augen. »Ich sehe nichts an Bord außer Tod und der Erinnerung daran.«
    »Sehr gut.« Raed klopfte ihm auf die Schulter. »Ihr anderen wartet hier.« Ausnahmsweise einmal befolgten sie seine Anweisungen stumm. Er und Aachon sprangen aufs Deck
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