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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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felsenfeste, unverrückbare Tatsache vielleicht der letzte Gedanke von Kapitän Moresh gewesen war, bevor es ihn in kleine Stücke zerfetzt hatte. Vermutlich. Er konnte sie alle diese Überlegung wieder und wieder schreien hören, während sie qualvoll starben. Und dann waren ihre Seelen verschwunden.
    Geister hungerten nach Seelen. Die meisten verfügten jedoch nicht über die Kraft, sie sich zu nehmen, und waren gezwungen, Menschen Angst und Schrecken einzujagen, so gut sie es vermochten. Welche Art von Unlebenden das hier auch angerichtet hatte: Sie besaß mehr Macht als sämtliche Arten, von denen Raed je gehört hatte.
    Er räusperte sich. »Du wurdest zum Diakon ausgebildet, Aachon … Hat man dich gelehrt, was für ein Geist so viel Tod verursachen könnte?«
    Sein Freund schüttelte den Kopf, und Raed bemerkte, dass Aachons Griff um den Wehrstein entschieden zittrig geworden war. »Ich weiß von nichts, von wirklich nichts, was so etwas tun kann. Ein Geist, der so tötet … Selbst Euer –« Er brach plötzlich ab. Fast hätte er es ausgesprochen; fast hätte er die Grenze überschritten, auf die sie sich stillschweigend verständigt hatten. Der absolute Schock auf Aachons Gesicht hatte nichts mit dem Grauen ringsum zu tun. »Es tut mir leid, mein Prinz. Ich … ich …«
    »Das hat uns beide umgehauen, alter Freund.« Er drückte seinem Maat den Arm. »Zum Glück wissen wir beide, dass ich nicht auf der
Korsar
war.« Sein Versuch, witzig zu sein, fiel auf sehr unfruchtbaren Boden.
    »Natürlich!« Aachon fuhr herum und kletterte an der nutzlosen Barrikade vorbei zum Hauptdeck zurück.
    »Was ist los?«, brüllte Raed ihm nach und beeilte sich, ihm zu folgen.
    »Der Wehrstein des Schiffs.« Sein Freund stand vor der Tür zu den Kajüten wie ein Mann, der gleich ins kalte Wasser taucht. »Jedes Kaiserliche Kriegsschiff hat einen Wehrstein oberster Kategorie, der vor Geisterstürmen warnen soll. Und auch Steine haben ein Gedächtnis, falls keine Menschen überleben, um die Geschichte zu erzählen.«
    Raed nickte. Es war vielleicht nicht bekannt, dass Geister Wasser überquerten, aber man wusste, dass besonders rachsüchtige Exemplare hin und wieder zu ihrer bloßen Erheiterung Unwetter in der Nähe der Küste heraufbeschworen. Die Diakone hatten allen das Leben erleichtert. Die Dummheit seines Großvaters, die einheimischen Diakone wegzuschicken, war nur der erste einer Reihe ausgesprochen blöder Fehler gewesen; Fehler, für die sie immer noch bezahlten.
    »Also schön. Suchen wir den Wehrstein.« Es fühlte sich gut an, etwas zu tun zu haben, aber beide blieben für eine Sekunde vor der Tür stehen. Welche Gräuel mochten drinnen lauern?
    Als Raed endlich zur Tür drängte, erschien es ihm passender, sie einzutreten, statt sie bloß aufzudrücken. Der plötzliche Knall hallte in der Stille des Gemetzels wie ein Donnerschlag. Beide Männer stürmten in den Raum dahinter. Trotz der Inaktivität des Wehrsteins zog der Prätendent die Möglichkeit in Betracht, dass ein Geist dort drin war. Wenn dieses Ding Wasser überqueren konnte, mochte es schließlich noch zu ganz anderem in der Lage sein.
    Drinnen war es so totenstill wie an Deck, aber die Szene war anders. Sie hatten unrecht gehabt; der Kapitän war nicht oben gestorben, sondern in seiner Kajüte, und er war nicht ausgeweidet und in Stücke gerissen wie seine Matrosen. Der arme Kapitän Moresh von der Kaiserlichen Marine sah aus, als wäre er monatelang in der Wüste gegrillt worden. Gehrock und Hut waren noch makellos, aber sein entwässerter Körper lag halb zusammengesunken über dem Tisch, auf dem seine wertvollen Karten und Tabellen ausgebreitet waren. Eine Hand hatte er nach dem anderen Gegenstand auf dem Tisch ausgestreckt: dem Wehrstein des Schiffs.
    »Unfassbar«, murmelte Aachon rechts neben Raed. Er hob die eigene Kugel, vielleicht, um sich zu vergewissern, dass sie noch intakt war. Sie glänzte so kobaltblau wie stets. »Das ist einfach unfassbar«, wiederholte er, als wäre es von Belang, diesen Gedanken auszusprechen.
    Raed nahm die Kugel des Schiffs in die Hand, ohne dass es Folgen hatte. Eigentlich hätte er nicht in der Lage sein sollen, das Ding zu berühren, aber der Wehrstein war pechschwarz und so tot wie die Männer draußen und ihr Kapitän.
    Aachon und Raed sahen einander lange an, umgeben vom Gestank des Todes. Irgendwie schien dies das schlimmste Zeichen zu sein. Der Talisman, den die Diakone geschaffen hatten, die größte
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