Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
durchschritten, wirkte er unglaublich aufgeregt, sprang um sie herum und bestürmte sie mit Fragen. Schließlich gab Sorcha Shedryi und Melochi in seine Obhut, um ihn loszuwerden. Die ihm übertragene Verantwortung erfüllte ihn mit feierlichem Ernst, und er führte die Pferde in die hintere Ecke des Hofs.
»Priorin Aulis ist dort drüben.« Er deutete mit dem Kopf auf die Haupttore des Palas, ehe er sich wieder zu den Pferden und dem Stall umdrehte.
Im großen Hof hätten sich in alten Zeiten Felstaads Ritter versammelt, aber gegenwärtig machte er nicht viel her. Sorcha hatte die Akte gelesen, bevor sie mit ihrem ersten Schiff untergegangen war: Kloster Ulrich war nur mit einem Dutzend Diakonen und doppelt so vielen Laienbrüdern besetzt. Man hätte hier hundertmal mehr Menschen unterbringen können.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Du lebst hier?«
Nynnia nickte stumm.
»Und ist es hier immer so?« Sorcha deutete mit einer Handbewegung auf den stillen, gepflasterten Platz, der so verlassen aussah wie ein Grab.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, und ihre törichten braunen Augen waren groß wie die eines verschreckten Rehs.
Sorcha biss die Zähne zusammen und holte tief Luft. »Und wo übt dein Vater sein Gewerbe aus?«
»Da drin.« Nynnia zeigte ängstlich auf die Wohnburg.
Der Diakonin wurde klar, dass von diesem Mädchen nicht viel Vernünftiges kommen würde.
»Das Ganze« – Raed hatte sein Entermesser noch immer nicht losgelassen – »erscheint mir wie eine Falle.«
»Hier?« Merrick ließ die braunen Augen immer noch über die Umgebung schweifen, und in seiner Stimme schwang echte Sorge mit. Er wollte nicht glauben, dass so etwas in einem Haus des Ordens möglich war, aber ein tieferer Instinkt meldete sich.
Die Gruppe stieg die kurze Treppe hinauf und öffnete die Türen. Der Geruch von Kohle und Rauch ließ Sorcha einen Schritt zurück machen. Sie warf einen Blick nach links auf Merrick und trat ein, als er knapp den Kopf schüttelte.
Sorcha wünschte sich sehr, es gäbe doch noch einige unantastbare Regeln. Eine Woche, in der Geister Wasser überquert, Fallen gestellt und Meeresungeheuer beschworen hatten, war nichts im Vergleich zu dem hier. Das Innere der großen Festungshalle hatte wie bei allen Klöstern die Form einer Abtei, war aber völlig ausgebrannt. Der weiße Stein war verrußt, und als sie ihn vorsichtig berührte, merkte sie, dass er an der Oberfläche geschmolzen war. Die Holzbänke waren zu Asche verbrannt oder lagen an den Rändern des Saals, als hätten fliehende Diakone sie dorthin geworfen. Trümmer knirschten unter ihren Stiefeln, während sie vorsichtig durch das einstige Mittelschiff gingen, aber Sorcha bückte sich nicht, um sie zu untersuchen.
Nynnia drückte die Hand an den Mund und stieß ein ersticktes Schluchzen aus. Merrick legte den Arm um sie, aber seine andere Hand hielt immer noch den Riemen bereit. Als sie die Kanzel erreichten, von der die Priorin ihre tägliche Lesung zu halten pflegte, drehte Sorcha sich um und betrachtete die Szenerie. Der vordere Teil der Halle war relativ unbeschädigt. Der Wandbehang über der Kanzel war nicht einmal angesengt.
»Was immer geschehen ist« – sie schluckte vernehmlich, um eine gewisse Professionalität zurückzugewinnen –, »hat sich genau in der Mitte der Halle abgespielt.« Als sie bemerkte, dass die Notizen der Priorin noch auf dem Pult lagen, setzte sie hinzu: »Und zwar ganz plötzlich.«
Raed, der Pirat und Prätendent, glaubte offenkundig, mehr als ein Diakon zu wissen. »Aber warum hat uns der Bruder draußen eingelassen? Wenn sie angegriffen werden …«
»Wir wurden angegriffen.« Die stählerne Stimme von rechts ließ alle zusammenfahren. Eine gepflegte kleine Frau im blauen Umhang einer Aktiven, den die kunstvoll verzierte Insignienbrosche der Priore schloss, stand da und musterte sie mit leuchtend grünen Augen. »Aber dieser Angriff hat nicht die völlige Zerstörung gebracht, die ihr hier seht.«
»Priorin Aulis.« Sorcha machte die einer Vorgesetzten gebührende Verbeugung und spürte, wie ihr wieder etwas wärmer wurde. Sie hatte gedacht, alle Diakone seien tot, und nun glitt ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht.
»Genug davon.« Die Frau drehte sich um und bedeutete ihnen, ihr zu folgen. »Ich habe keine Zeit zu verschwenden. Wir brauchen eure Hilfe sofort.«
Das war klar, doch der Anblick einer lebenden Priorin war immer noch ein gutes Zeichen.
Als Raed sich an Sorcha
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