Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
geholfen, wie ich feststelle.«
Ein ausgewachsener Streit braute sich zusammen, und Merrick versuchte sich wie alle Sensiblen als Friedensstifter. »Wir haben das Kloster fast erreicht.« Er zeigte auf die Stelle, wo der kahle Felshang hinter den letzten Häusern zu der aufragenden Burg führte. Sie war wirklich beeindruckend.
Als sie den Hügel erstiegen, bemerkte Sorcha als Erstes, dass das Fallgitter des Klosters heruntergelassen war. Der Ort stellte respekteinflößende Befestigungen zur Schau, als erwartete er eine Armee statt eines bunten Haufens Reisender. Sie fuhr abwesend über die Ränder ihrer Handschuhe und sah über die Schulter. Die Blicke der Städter kamen ihr plötzlich unheilvoller vor.
»Haltet die Augen offen.« Sie stieß Merrick an.
»Bin schon dabei«, erwiderte er. »Wollt Ihr daran teilhaben?«
Sie erinnerte sich an seine blendende Stärke und schüttelte den Kopf. »Nein, warnt mich nur, wenn etwas geschieht.«
»Bis jetzt nichts …« Aber in seiner schwankenden Stimme lag Besorgnis. Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen; seit der letzten Woche war so gut wie alles möglich.
Der Prätendent an ihrer Seite sog scharf die Luft ein. Raed, dieses strahlende Silberfeuer im Äther, hatte die Hand am Entermesser, als spürte auch er die Bosheit in der Luft.
Es war nur ein Kloster, vielleicht nicht so sicher wie eine Abtei, aber immer noch ein Ort des Ordens. Sorcha sagte sich das ständig, als die vier Menschen und die zwei Pferde sich dem Torhaus näherten und vor der Pforte und dem heruntergelassenen Fallgitter standen.
»Seltsam«, flüsterte Nynnia Merrick zu. »Das Fallgitter ist sonst nie unten.«
»Das hat sicher seine Ordnung«, antwortete er ihr, doch die Versicherung kam ihm nicht leicht über die Lippen. »Der Erzabt hat doch sicher durch einen Wehrstein Nachricht geschickt, dass wir kommen«, zischte er Sorcha zu.
Sein besorgter Unterton verstärkte nur Sorchas Beunruhigung. Shedryi an ihrer Seite stieß ein scharfes Wiehern aus und tänzelte, als wäre er gestochen worden. Doch nichts erschien aus der Luft, und Merrick schwieg.
Nach einigen unerklärlich angespannten Momenten nahm Sorcha schließlich die Rechte von den Handschuhen und ergriff das Seil am Tor. Der Klang der Glocke in der Stille machte sie alle noch nervöser. Sorcha hielt Shedryis Zügel schmerzhaft fest umklammert. Merrick rückte näher an Nynnia heran, und Raeds Atem ging schneller. Sorcha war sich bewusst, dass auch sie rascher atmete.
Als die schiefe Gestalt eines jungen Mannes zum Fallgitter gehumpelt kam, stieß sie einen langen Atemzug aus. Er trug das Braun eines Laienbruders und war zumindest ein Anzeichen von Normalität. Der Mann schaute sie mit unverhohlener Vorsicht durch die Gitterstäbe an, und Zorn stieg in ihr auf und verdrängte die Sorge.
Sie gab Raed Shedryis Zügel und trat vor, um den Mann zur Rede zu stellen. Sie hatte die Hand auf den Umhang gelegt, von dem sich das Abzeichen des Ordens leuchtend silbern abhob. Obwohl er es betrachtete, hatte er keine Eile, die Sperre anzuheben.
»Wer seid Ihr?« Er sprach langsam durch missgestaltete Lippen.
»Die Diakone Sorcha Faris und Merrick Chambers. Der Abt hätte die Priorin mit einem Wehrstein davon in Kenntnis setzen sollen, dass wir kommen.«
Die Antwort des jungen Bruders ließ sie zusammenzucken. »Unser Wehrstein wurde vor vier Nächten zerstört.«
Das Verkehrte dieses Orts war jetzt nicht mehr zu ignorieren. »Dann schnell … wir müssen mit Eurer Priorin sprechen.«
»Sie ist beschäftigt, und ich darf keinen einlassen.«
Sorchas Zorn drohte überzukochen, und ihre Finger brannten darauf, die Handschuhe überzustreifen und das Fallgitter aus seinen Fundamenten zu sprengen. Wieder einmal war es Merrick, der die richtigen Worte fand.
Er nahm den langen, verzierten Lederriemen heraus und hielt ihn vor sich hin. »Wisst Ihr, was das ist?«
Die Augen des jungen Bruders leuchteten auf. »Der Riemen der Sensiblen.«
»Gut.« Merrick zeigte auf die Handschuhe, die in Sorchas Gürtel steckten. »Und das da?«
»Die Handschuhe der Aktiven.«
»Und Ihr wisst, dass nur Diakone sie tragen können?«
»Ja.« Der Bruder nickte so heftig, dass ihm der Kopf abfliegen mochte.
»Dann könnt Ihr uns einlassen. Eure Priorin würde nicht wollen, dass Ihr Diakonen den Zutritt verwehrt.«
Nach kurzem, tiefem Nachdenken huschte der Bruder endlich davon, um das Rad zu drehen und das Fallgitter hochzuziehen. Kaum hatten sie das Tor
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