Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
anderer zu unterwerfen. Als Erbe des väterlichen Fluchs besaß er ein kleines Gefolge, das seinen Befehlen gehorchte. Einst hatte er diese Soldaten in die Schlacht geführt. Seit der Fluch ausgebrochen war und er zur See fuhr, war er ihr Kapitän, und sie waren seine Mannschaft.
Doch jetzt beobachtete er diese Frau, nein, diese Diakonin und hoffte, dass sie ein paar Antworten hatte. Anscheinend gab es keinen schlimmeren Ort für ihn und seinen Fluch als diesen.
Sorcha stieß sich von der Wand ab und kam auf ihn zu. Der Moment der Erschöpfung war offensichtlich vorüber, denn in ihren Augen funkelte es lebhaft.
»Also.« Er strich sich über den Bart und musterte sie misstrauisch aus dem Augenwinkel. »Wie schlimm ist es?«
Die Diakonin kaute auf der Unterlippe und schien ihre Worte mit Bedacht zu wählen. »Ich bin seit fast zwanzig Jahren aktives Mitglied des Ordens, und das ist der schlimmste Ausbruch von Poltergeistbesessenheit, den ich je gesehen habe.«
»Und Ihr könnt keinem dieser Kinder helfen?«
»Nicht ohne Merrick und nicht, solange ich den Foki nicht identifiziert habe.« Bei seinem verständnislosen Blick seufzte sie.
Raed wurde etwas ärgerlich. »Ich bin zwar nicht Euer Partner, aber das Beste, was Ihr im Moment habt. Tut mir leid, dass Ihr mir Dinge erklären müsst, aber ich bitte Euch dennoch darum.«
Sie ließ die Arme sinken. »Bei einer solchen Häufung von Angriffen einer speziellen Stoßrichtung muss es etwas geben, das eine Pforte offen hält. Eine große Öffnung kann es nicht sein, denn sonst würden wir eine Invasion von Geistern erleben. Es muss sich um eine kleine Öffnung handeln, die sich auf bestimmte Ebenen der Anderwelt beschränkt.«
»Also um einen Gegenstand?«
Sorcha nickte.
»Habt Ihr eine Ahnung, wie er aussehen könnte?«
Die Diakonin band die bronzefarbenen Locken zurück und gewann wieder jene Strenge, die ihrer Schönheit nicht gerecht wurde. »Das ist die schlechte Neuigkeit: Es kann alles Mögliche sein.« Sie schob sich eine widerspenstige Strähne aus der Stirn.
»Wie sollen wir diesen Gegenstand dann finden?«
Sorcha wollte antworten, brachte aber nur ein ersticktes Wimmern zuwege. Sie fasste sich an die Kehle und sackte zurück, und nur Raeds rasche Reaktion verhinderte ihren Sturz. Feine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, während sie die Hände um den Hals krallte.
Er lockerte ihren Kragen und fragte sich, ob sie keine Luft bekam oder von einem unsichtbaren Feind gewürgt wurde. Nach einer Sekunde stieß sie ein gewaltiges Keuchen aus, riss die Augen auf und wurde ganz steif. Raed glaubte fest, sie würde sterben, doch dann schüttelte sie sich wie eine Katze, die aus dem Wasser kam.
Sorcha riss sich von ihm los und sprang auf. »Merrick – Heilige Knochen, Merrick ist etwas zugestoßen!« Ihr Gesicht war weiß wie Milch, und ihre blutleeren Lippen waren nur ein wütender Strich.
Raed wusste um die Verbindung zwischen Partnern, die für die Diakone Stärke und Schwäche zugleich war. Da er fürchtete, sie würde unüberlegt zum Kloster eilen, legte der Prätendent ihr die Hand auf die Schulter, um sie gleichermaßen zu begütigen und zurückzuhalten.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er so beschwichtigend wie möglich. »Er ist am Leben, nicht wahr?«
Sie presste eine Hand an die Stirn, und ihr Atem ging noch immer in kleinen Stößen. »Ja. Er lebt. Ihr müsst entschuldigen, Piratenprinz. Die Verbindung zwischen Chambers und mir ist überraschend stark. Ich habe noch nie etwas Ähnliches mit einem anderen Partner gespürt.«
Empfand er tief im Innern einen Stich der Eifersucht? Raed unterdrückte das eigenartige Gefühl nach Kräften und versuchte stattdessen zu verstehen, was Sorcha durchmachte. »Seht Ihr, wo er sich befindet und was passiert ist?«
Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu, als wäre er ein Kind. »Die Verbindung erlaubt mir nicht, durch seine Augen zu sehen. Ich habe seine Stimme gehört wie ein Murmeln im Nebenzimmer – seinen Tonfall also, nicht seine Worte.«
»Und dann?«
Sie zog ihre Handschuhe heraus und musterte sie. »Ich habe etwas erkannt, den Geschmack von …« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, das ist unmöglich!«
»Was ist es?« Raed beobachtete, wie sie die Faust fest um die Handschuhe schloss. »Kommt schon, Diakonin, wir stecken alle gemeinsam in dieser hässlichen Sache – ob es Euch gefällt oder nicht.«
»Unheilige, verfluchte Knochen.« Sie wandte sich ab und raufte sich die Haare. Als
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