Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
aber nur eine Fleischmarionette im Vergleich zu einem vollständig materialisierten Geistherrn. Die gebogenen, nadelähnliche Zähne des Dings zerbrachen am Fell der Bestie, kaum dass es nach vorn sprang. Es roch nach etwas Getrocknetem und Modrigem – ein Gestank, der dem Rossin nicht gefiel. Die in dem Ghast gefangene Frau schrie vor Schmerz, als ihr vom Ghast kontrolliertes Fleisch sich wölbte. Im Gegensatz zum Jungen Prätendenten spürte sie alles, was der Geist tat, den sie beherbergte.
Es war beinahe eine Gnade, als die Kiefer des Rossin sich ihm wie eine Falle um den Hals schlossen. Er schüttelte den Ghast heftig, wie eine Katze es mit einer besonders widerlichen Ratte tut. Der dünne Faden menschlichen Lebens wurde zerschnitten, der Fokus des Geists zerstört. Heulend kehrte er in die Anderwelt zurück, und das Menschenblut im Maul des Rossin war unbesudelt.
Es floss ihm über die lange, raue Zunge und erfüllte seine Kehle mit einem süßen, scharfen Geschmack. Blut und Macht – sie waren immer fest miteinander verbunden gewesen. Das war es, was ihn in diese Welt gebracht hatte.
Der Rossin drehte sich auf den Pfoten um – ein bei seiner gewaltigen Größe in der engen Bibliothek unbeholfenes Unterfangen. Ein Regal fiel um und zerschmetterte das Fenster mit einem ungemein befriedigenden Klirren, was die Menschen erneut panisch aufschreien ließ und die Aufmerksamkeit der Bestie erst auf sie lenkte.
Die Diakonin stand reglos an der hinteren Wand. Sie hatte ihre Handschuhe an, aber ihre Hände hingen schlaff herab, denn es gab keine Rune in ihrem Lexikon, die dem Rossin Macht entziehen konnte. Er war in dieser Welt ebenso verankert wie sie.
»Seid still«, hörte er sie zischen, wahrscheinlich an die verängstigten Frauen gewandt, die in der Ecke schluchzten und nach Urin und Schweiß stanken. Sie drängten sich zwischen zwei umgestürzten Bücherregalen. »Bleibt ganz still«, befahl die verachtungswürdige Diakonin ihnen, und der Rossin spürte, wie sie versuchte, wieder durch die Verbindung nach ihm zu greifen. Doch sie war schwach. Die Verbindung war schwach. Irgendwie hatte diese törichte Kreatur ihren Partner verloren.
Der Rossin zog die Lefzen hoch und atmete ein. Der Diakon war nicht tot; dann wäre ihm die Frau vollkommen ausgeliefert gewesen. Nein, die Anderwelt war nah, und er hatte sie durchquert. So etwas hatte ein Fleischmensch seit Generationen nicht mehr versucht. Der Rossin war beinahe beeindruckt.
Doch sollte der Diakon auf wunderbare Weise zurückkehren, würde die Verbindung ihre ursprüngliche Stärke zurückerlangen – der Rossin musste sich beeilen.
Die große Katze knurrte und peitschte mit dem Schwanz, aber sie hatte keine Zeit, unter diesen zitternden Frauen Unheil anzurichten. Sie war dort draußen und versuchte wieder einmal, ihn zu besiegen. Sie brauchte nur einen Körper zu finden, der stark genug war, um ihr Platz zu bieten und das Gerät der Ehtia aufzuspüren, dann würde selbst er Mühe haben, sie zu besiegen.
Als er die Frau durch gebogene Reißzähne anbrüllte und heißen Speichel schleuderte, wollte er damit der Diakonin zeigen, dass er sich später um sie kümmern würde. Bald schon würde sie seinen Zorn zu spüren bekommen. Dies brachte die beiden anderen Frauen völlig aus der Fassung, und sie stürzten aus der zerbrechlichen Sicherheit der umgekippten Bücherregale auf die eingebildete Sicherheit der Tür zu.
Aus einem Reflex heraus machte der Rossin einen Satz, und seine gewaltige Pfote riss einer der Frauen den Leib auf. Blut und Eingeweide quollen über sein Fell und den Boden. Er schnappte nach der anderen und genoss den kleinen Schrei und dann das Knirschen ihres Rückgrats zwischen seinen Kiefern. Er kaute zufrieden und genüsslich, bevor er das zerstörte Ding auf den Boden fallen ließ.
Die Diakonin brüllte, und ihre Handschuhe loderten jetzt leuchtend rot mit einer Rune, die ihn nicht berühren konnte. Wenn sie vor dem Wüten des Geistherrn geschützt war, dann war er vor ihr genauso geschützt. Das Feuer floss über ihn hinweg und an ihm vorbei, als sei er sie, was er in gewisser Weise auch war.
Es musste sie einiges gekostet haben, das zu tun – törichterweise liebte sie seinen Wirt. Mit großer Verachtung spannte der Rossin die Hinterbeine an, sprang durchs Fenster und landete auf dem Dach des unteren Palasts. Es war eine Leistung, die kein sterbliches Wesen hätte vollbringen können.
Hinter sich hörte er eilige Schritte und Rufe,
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