Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
mich darauf, Euch wiederzusehen, Merrick Chambers.«
Als der Prinz von Chioma ging, dachte der Diakon an sein erstes Treffen mit ihm. Rückblickend nahm er an, dass Onika ihn erkannt hatte. Diese verdammte Maske verbarg immer so viel – kein Wunder, dass der Herrscher sich den Ruf erworben hatte, ein Geheimnis zu sein.
»Warum kann er nicht mit Euch gehen?«, fragte Merrick Nynnia im Flüsterton.
Sie seufzte und klopfte ihm leicht auf den Arm, als korrigierte sie einen Schüler, der es hätte besser wissen sollen. »Denkt darüber nach: Ein Wesen, halb Mensch, halb Geist, an jenem Ort. Er ist an eine sterbliche Hülle gefesselt, daher würden die Geistherrn ihn in Stücke reißen. Sie nähren sich dort von der Energie ihrer eigenen Art.«
Der Diakon schauderte, als er sich an die Landschaft dieses grauenvollen Ortes erinnerte.
»Aber Onika hat trotzdem einen ziemlichen Eindruck auf Euch gemacht, nicht wahr?« Nynnia zog die Brauen hoch, und ein schwaches Lächeln umspielte ihre schönen Lippen.
»Er ist … anders.« Merrick legte ihr den Arm um die Taille. »Obwohl mein Kaiser ein feiner Mann ist, bin ich doch immer wieder erstaunt, dass jemand, der an der Macht ist, ein guter Mensch sein kann – noch dazu der Sohn einer ›Göttin‹.«
Sie nickte nachdenklich und führte ihn dann zurück in die Tunnelmaschine. »Ich gestehe, wir haben Onika nicht geglaubt, als er uns damals seine Hilfe anbot. Viele bezweifelten, dass er sich gegen seine Mutter wenden würde – aber er hat Mut bewiesen.« Sie nahm seine Hand und zog ihn durch einen langen Gang.
»Wohin gehen wir?« Sein Magen krampfte sich zusammen, als die Maschine erneut abwärts fuhr – diesmal ohne beängstigendes Rollen.
»Wie Onika gesagt hat« – Nynnia drückte ihm die Finger – »zum Berg Sytha. All unsere Leute versammeln sich dort, um die Zeremonie abzuhalten.«
Die Nynnia in der Anderwelt hatte gesagt, es gebe einen Grund für sie, ihn hierherzuschicken, und sie werde ihn danach in seine Zeit zurückbringen. Merrick aber wollte nicht zurück – selbst wenn diese Welt zerbrach. Dies war der Ort, an dem Nynnia noch lebte.
Er wusste, dass Sorcha und auch seine Mutter in seiner Zeit waren – und sich beide in tödlicher Gefahr befanden. Der Diakon fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Pflicht und Glück.
»Und was dann?«, fragte er und hatte schreckliche Angst vor der Antwort.
Nynnia stand da, eine Hand auf den Türgriff gelegt, und runzelte die Stirn. »Wir müssen für unsere Verbrechen Buße tun: der Verwendung von Wehrsteinen und Runen abschwören. Unsere Körper aufgeben.«
»Ihr verlasst diese Welt«, flüsterte Merrick. »Und reist in die Anderwelt.«
Ein Kiefermuskel zuckte, als sie scharf nickte. »Wenn wir bleiben, werden Hatipai und die anderen Geister diese Welt auf der Jagd nach uns zerstören. Wir werden an den einen Ort gehen, an den sie nicht zu folgen wagt. Nachdem sie sich mit einem Fokus in dieser Welt verankert hat, kann sie nicht mehr in die Anderwelt zurückkehren und würde das auch nicht wollen, denn das Menschenfleisch hier ist viel süßer. Also können wir mit unserem Wissen dort einen Ort aufbauen – und vielleicht eines Tages nach Hause zurückkehren, wenn es sicher ist.«
Merrick presste die Lippen zusammen, schloss die Augen und erinnerte sich an die Geschichten aus jener dunklen Zeit. Das Leid, das den Menschen bevorstand, würde schrecklich sein. Doch aus dem Mahlstrom würden sich der Orden erheben, die Dynastie der Rossin und schließlich das Reich. Es würde Hunderte von Jahren dauern, aber sie würden die Geistherrn und selbst Hatipai besiegen und lernen, die geringeren Geister zu kontrollieren.
Er würde daran nichts ändern können. Und er durfte das auch nicht.
Nynnia schob die Tür auf, und er sah, dass sie in ein kleines Schlafzimmer mit einem recht großen Bett führte, das an der Wand befestigt war. Eine komfortable blaue Steppdecke brachte Farbe in diese Unterkunft, die sonst ziemlich trostlos gewesen wäre. Er sog die Luft ein und warf der Frau an seiner Seite einen verwirrten Blick zu. »Nynnia, ich …«
Sie brachte ihn überaus wirkungsvoll zum Schweigen, indem sie seinen Mund auf ihren herunterzog. Der Kuss war lang, verzweifelt und süß. Als sie Merrick endlich losließ, waren ihre braunen Augen groß und ihr Lächeln schief. »Wenn wir diese Welt verlassen, Merrick Chambers, geben wir Ehtia unsere Körper auf und werden ein Teil der Anderwelt. Ich habe vor, meinem Körper
Weitere Kostenlose Bücher