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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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unter der linken Wange spürte er weichen Brokat.
    Draußen drehten sich Räder, aber es klang nicht wie eine Fahrt über Schotter oder Pflastersteine. Stattdessen hörte er das Zischen von etwas viel Nachgiebigerem und brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass die Räder über verdichteten Sand rollten.
    Und wenn sie das taten, befanden sie sich nicht mehr in der Bienenkorbstadt. Raed mühte sich, ruhig zu atmen, während er im Geiste die Bilder des Geschehens durchging, bevor der Rossin sich seiner bemächtigt hatte.
    Etwas hatte sie in der Bibliothek angegriffen. Er hatte neben Sorcha gestanden und den Geist nur für eine Sekunde gespürt, bevor der Rossin in seinem Inneren so reagiert hatte wie immer.
    Der Junge Prätendent atmete scharf durch die Nase ein, denn plötzlich erkannte er ein weiteres vertrautes Gefühl: das Spannen von Blut, das auf seiner Haut getrocknet war. War es Sorchas Blut? Hatte er die eine Frau getötet, für die er Gefühle zu haben gewagt hatte, so, wie er seine Mutter umgebracht hatte?
    »Ihr habt tatsächlich Leben genommen, Raed Syndar Rossin.« Die Stimme war ihm direkt gegenüber, leise, betont und irgendwie vertraut – er brauchte nur Erinnerungen durchzugehen, um sie einzuordnen. Aber es ging alles zu schleppend, wie immer nach dem Aufwachen, wenn der Rossin von ihm Besitz ergriffen hatte.
    Also riss er die Augen auf, und Großherzogin Zofiya schaute ihn an. Wenn Raed sich jemanden hätte aussuchen können, der ihm in der eleganten Kutsche gegenübersaß, dann niemals sie. Sein einziger Kontakt mit der Schwester des Kaisers war in Vermillion gewesen, als er eine für sie bestimmte Kugel abgefangen hatte.
    In jenem Sekundenbruchteil hatte sie dankbar gewirkt, obwohl ihr Bruder ihn später ins Gefängnis geworfen hatte. Jetzt waren ihre schönen, dunklen Augen mit sehr viel weniger Wohlwollen auf ihn gerichtet. Hätte er es nicht besser gewusst, dann hätte er gedacht, dass sich ihre Linsen trübten. Doch sie schien keine Probleme zu haben, ihn zu sehen.
    In der unmöglichen Hitze trug sie ein durchsichtiges, weißes Gewand, das ihre bewunderungswürdige Figur nur mit knapper Not verdeckte. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie die rote Uniform der Kaiserlichen Garde getragen, und nach allem, was er gehört hatte, trug sie nie etwas anderes. Eine weitere Merkwürdigkeit.
    Raed wollte sich vom Sitz hochdrücken, stellte aber bald fest, dass seine Hände gefesselt waren, und zwar mit etwas, das ihm so noch nicht untergekommen war, obwohl er sofort wusste, worum es sich handelte.
    »Wehrsteine.« Er hob die Hände vor sich und schwankte leicht; ihm war immer noch etwas schwummrig. Die Schnur aus kleinen Steinen glitzerte wie Diamanten vor seinem sich langsam schärfenden Blick. »Wirklich – das hättet Ihr nicht tun sollen.«
    Zofiya lachte kurz und ohne echte Erheiterung auf. »Aber wenn ich das nicht getan hätte, würde Euer Passagier ziemlich unangenehm werden.«
    Raed drehte sich, sodass er ein wenig bequemer saß, obwohl es sich immer noch unsicher anfühlte. Seine Füße waren auf die gleiche Art gefesselt. »Es ist nicht schwer, den Rossin zu bezähmen.« Er schätzte die Entfernung zur Großherzogin ein, blieb aber eher neugierig als wütend.
    Sie lehnte sich zurück. Die glühende chiomesische Sonne drang durch die Vorhänge und zeichnete ihre Gestalt in dem dünnen, weißen Kleid noch deutlicher ab. Raed war sich ihrer Taktik bewusst und doch nicht gänzlich immun dagegen. Zofiya war eine schöne Frau, und das Kleid zeigte nicht nur ihre weiblichen Formen, sondern auch die stählernen Muskeln, die sie durch jahrelanges militärisches Training gewonnen hatte. Er dachte noch einmal darüber nach, wie groß seine Chancen wirklich waren, sie körperlich zu überwältigen.
    »Es sind nicht nur die Wehrsteine, die den Rossin bezähmen«, erwiderte Zofiya, »sondern auch die Tatsache, dass er gründlich geschlagen wurde.«
    Raed hatte den größten Teil seines Lebens davon geträumt, jemanden sagen zu hören, er habe einen Weg gefunden, den großen Geistherrn zu besiegen, der Raeds Leben quälte. Sorcha, Merrick und die Verbindung hatten ihm einen gewissen Trost geschenkt, aber er hatte nie gedacht, dass da noch mehr sein könnte.
    Er fühlte sich nicht getröstet, denn ihr Lächeln erreichte ihre seltsamen Augen nicht. Raed kannte sich mit Besessenheit besser aus als die meisten Menschen, und es gab viele kleine Anzeichen dafür bei Großherzogin Zofiya: ein kleines Zucken

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