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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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Stunden Schlaf.
    Sie sah ihn an. Sie mochte ihn. Er war ihr gleich aufgefallen, wie er aus der Kirche gekommen war. Rabenschwarzes Haar. Einer aus dem Süden, hatte sie gedacht. Rom, Andalusien oder so, leidenschaftliche Männer. Doch dann hatte sie seine Augen bemerkt, grün wie Blattornamente auf einer Tapisserie. Sie wußte immer noch nicht, woher er kam.
    »Ich gehe essen«, sagte sie schließlich und verließ das Haus. In einer der Garküchen bestellte sie gegrillte Rippchen und vertrieb sich dann trödelnd den Nachmittag. Kaufte von den Münzen ein Stück rote Seide, ein Amulett gegen Kindbettfieber – nicht ohne sich innerlich selbst auszulachen – und einen Krug vom besten Rheinwein. Mit dem stieg sie die Stufen zu ihrer Kammer hinauf. Ihr Kunde saß aufrecht im Bett, die Arme hinter dem Nacken verschränkt.
    »Ich habe uns Wein mitgebracht«, sagte sie und füllte den Wein in zwei Becher. »Wasser?«
    Er schüttelte belustigt den Kopf.
    »Ausgeruht?«
    »Das Geld hast du schon ausgegeben, wie ich sehe.«
    Sie lachte. »Seide, ein Amulett gegen Kindbettfieber und Wein. Ich habe, was ich wollte. Und du? Wer bist du, und woher kommst du?«
    »Das sind viele Fragen auf einmal«, sagte er. »Aber gut, ich bin Söldner und komme aus Irland. Zufrieden?«
    Sie war irritiert. Er sah nicht aus wie ein Söldner, eher wie ein Ritter, ein Adeliger mit seinen Waffen und der guten Kleidung, die sich ein Söldner normalerweise nicht leisten konnte.
    Er bemerkte, daß sich ihr Gesicht verfinsterte.
    »Was ist?« fragte er spöttisch.
    »Ich mag keine Söldner«, erwiderte sie kurz angebunden.
    »Ich verstehe. Sie haben kein Geld, meinst du das?«
    »Das auch«, antwortete sie düster, »aber sie können sich nicht benehmen, und das ist viel schlimmer. Bist du auch so einer?«
    Er betrachtete amüsiert ihr erschrockenes Gesicht. »Gewiß. Wenn mir danach ist.«
    »Und? Ist dir heute danach?«
    Er lachte und sprang vom Bett. »Du hast Glück. Heute ist mir nicht danach. Aber vielleicht morgen.«
    Er schnallte sich den Gürtel um.
    »Du willst gehen?«
    »Ich wollte in Ruhe schlafen, mehr nicht.«
    Er zog sich die Stiefel an, weiche, teure Lammfellstiefel, die Berthold ihm gekauft hatte, warf sich den Mantel um, ebenfalls ein Geschenk seines Patienten, und schlüpfte aus der Tür, die er leise hinter sich zuzog.
    Auf der Treppe begegnete ihm ein Mann in einem edlen Wams, dessen Kragen mit Zobelfell besetzt war. Auf seiner Brust hing, halb verdeckt vom Wams, ein schweres silbernes Kreuz. Da die Treppe nicht genug Platz bot für zwei Männer, zögerten sie beide, bis sich endlich der Fremde, mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen in seinem aufgedunsenen roten Gesicht, den Vortritt nahm. Gesenkten Kopfes zwängte er sich an dem Iren vorbei, der ihm nachdenklich hinterhersah, wie er in der Kammer der Hure verschwand.
    Bertholds Stadthaus lag in der Nähe des Marktes. Es hatte drei Stockwerke und einen prächtigen ummauerten Garten. Als der Ire ankam, lungerten die Knechte und Mägde tatenlos herum. Die Binsen waren feucht und stanken, das Feuer war aus. Cai schritt finster von Zimmer zu Zimmer und scheuchte die Leute auf, die wie Hühner von der Stange fielen. Wenn ihr Herr nicht da war, führten sie ein bequemes, lustiges Leben. Doch vor dem Iren hatten sie Angst. Er gab Anweisungen, die Binsen zu erneuern, das Feuer anzufachen, den Staub auszufegen. In der Küche schimmelte das Mehl, das Wasser war abgestanden. Cai war wütend. Die Vorratskammern waren leer und der Weinkeller auch.
    Wenn Berthold nicht da war, bedienten sie sich aus den Garküchen, natürlich auf Kosten ihres Herren.
    »Schaff etwas zu essen und Wein heran«, herrschte der Ire die Köchin an. Binnen einer Stunde herrschte im Haus ein Leben wie in einem Bienenschwarm. Betten wurden frisch bezogen, Binsen erneuert, Wasser geholt, die Halle gefegt. Blumen wurden aus dem Garten gebracht, neue Kerzen gekauft.
    Darüber war es Abend geworden. Die Glocken von St. Marien läuteten, und über dem Feuer briet das Lendenstück eines Ochsen. Cainnech Tuam streckte sich in einem Sessel aus und betrachtete die Schatten, die die Flammen an die Wände warfen.
    Er dachte an den Mann, den er auf der Treppe des Hurenhauses getroffen hatte. Er konnte nicht sagen, wann, aber er hatte den Eindruck, ihn schon einmal gesehen zu haben. Und es kam ihm so vor, als müsse er ihn mit der Geistlichkeit in Verbindung bringen. Ein Kleriker, ja, aber welcher? Und warum mußte er ständig

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