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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Friedrich über dieses Thema?« wollte Rathbone wissen. »Äußerte er sich dazu?«
    »Er war für die Unabhängigkeit.«
    »So sehr, daß er sich auch dafür einsetzte?«
    Stephan biß sich auf die Lippen. »Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich weiß, daß Graf Lansdorff eigens nach Wellborough Hall kam, um mit ihm darüber zu sprechen. Ansonsten hätte er sich geweigert, mit Friedrich unter einem Dach zu leben.«
    Der Richter beobachtete Rathbone mit vor Sorge verkniffenem Gesicht. Man konnte meinen, er würde ihn gleich unterbrechen, doch das tat er nicht.
    »Leitete er das Treffen in die Wege, oder ging die Initiative von Friedrich aus?« fragte Rathbone, der genau wußte, auf was für ein gefährliches Terrain er sich vorwagte.
    »Ich glaube, sie ging von Graf Lansdorff aus.«
    »Sie sprechen von ›glauben‹. Wissen Sie es nicht?«
    »Nicht mit absoluter Bestimmtheit.«
    »Und warum war Graf von Seidlitz da, wenn er die Gegenseite vertritt? War vielleicht eine Art Debatte geplant, eine offene Diskussion?«
    Stephan lächelte kurz. »Das bestimmt nicht. Es ist ja alles nur Spekulation. Ich weiß nicht, ob überhaupt Gespräche stattfanden, aber wenn Klaus von Seidlitz eingeladen wurde, dann wohl eher um den politischen Aspekt dieser Versammlung zu kaschieren.«
    »Und Gräfin Rostova und Mr. Barberini?«
    »Sie sind beide für die Unabhängigkeit. Aber da Barberini zur Hälfte Venetianer ist, war seine Einladung nur logisch, weil ja auch Friedrich und Gisela in Venedig lebten. So sah das Ganze nach einer normalen Gesellschaft aus.«
    »Aber in Wirklichkeit war es trotz Feierlichkeiten, Dinners, Jagd, Picknicks, Musik und Theateraufführungen eine dem Wesen nach politische Veranstaltung, richtig?«
    »Ja.«
    Rathbone war bereits klar, daß Stephan nicht bestätigen konnte, daß Friedrich ein Angebot unterbreitet worden war. Darum fragte er erst gar nicht danach. »Danke, Baron von Emden«, sagte er und wandte sich zu seinem Gegner um.
    In Harvesters Miene spiegelte sich eine kuriose Mischung aus Wut und Nervosität. Er schnellte hoch und stolzierte, die Schulter entschlossen hochgezogen, zum Zeugenstand hinüber.
    »Waren Sie an dem Komplott beteiligt, Prinz Friedrich zurückzuholen, damit er den Thron seines Bruders usurpieren konnte, Baron?«
    Rathbone konnte nicht gegen diesen abschätzigen Ton protestieren. Er selbst hatte zuvor nicht anders gesprochen.
    »Mr. Harvester«, entgegnete Stephan lächelnd, »falls es einen Plan gab, Prinz Friedrich zu bitten, heimzukehren und den Kampf um den Erhalt unserer Unabhängigkeit anzuführen, war ich nicht daran beteiligt. Aber vorausgesetzt, er hätte nur dies und nichts anderes zum Inhalt gehabt und ich wäre eingeweiht gewesen, dann hätte ich mich gerne angeschlossen. Wenn Sie glauben, Usurpation wäre das Ziel gewesen, dann haben Sie damit bewiesen, wie wenig Sie von den Zusammenhängen verstehen. Prinz Waldo ist bereit, den Thron und die Unabhängigkeit seines Landes zu opfern und zuzusehen, wie wir von einer größeren Macht geschluckt werden.«
    Er beugte sich über das Geländer. Sein Blick bohrte sich in Harvesters Augen, als wäre sonst niemand im Saal. »Es gäbe in Felzburg keinen Thron mehr, um den man sich streiten könnte. Wir wären eine Provinz von Preußen oder Hannover oder wie immer das Gebilde aus dem Zusammenschluß soundsovieler Staaten auch heißen mag. Kein Mensch weiß, wer dann König, Präsident oder Kaiser wäre. Wenn Friedrich tatsächlich die Rückkehr angeboten wurde und er darauf eingegangen wäre, dann nur, um den Thron in Felzburg zu retten, egal, wer darauf saß. Womöglich hätte er ihn gar nicht für sich beansprucht. Vielleicht hätte er ja auch den Kampf verloren und wir wären sowieso geschluckt worden. Vielleicht wäre es zum Krieg gekommen und wir wären erobert worden. Oder aber die anderen liberalen Kleinstaaten hätten sich mit uns gegen die Reaktionäre verbündet. Nun, wir werden es nie wissen. Er ist ja tot.«
    Harvester bedachte ihn mit einem dürren Lächeln. »Baron, wenn das also der Grund der Veranstaltung in Wellborough Hall war – und ich bezweifle keineswegs, daß Sie das glauben –, dann werden Sie mir sicher ein paar Fragen beantworten, die sich zwangsläufig daraus ergeben. Angenommen, Friedrich hätte das Angebot abgelehnt, hätte dann jemand einen Grund gehabt, sich seinen Tod zu wünschen?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Und wenn er angenommen hätte?«
    Stephan biß sich angewidert auf die Lippen,

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