Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
bekommen.«
    »Der sollte für die nächsten vier Wochen reichen. Du jedoch haust das Geld für einen Goldring auf den Kopf? Für eine Tänzerin noch dazu? Du bist verrückt!«
    »Und du bist ein alter Langweiler, lieber Cousin«, sagte Eugen und applaudierte laut den Tänzerinnen, die sich gerade aufmachten, die Bühne zu verlassen.
    »Ich muss los, sonst verpasse ich sie noch. Wir sehen uns später!«, rief er und verschwand durch eine schmale Tür neben der Bühne.
    Kopfschüttelnd schaute Wily seinem Freund nach, während ihn eine Woge unterschwelligen Grolls überfiel.
    DieWelt war wirklich ungerecht … Eugen konnte tun und machen, was er wollte, er jedoch war spätestens seit dem achten Mai des letzten Jahres nicht mehr sein eigener Herr. Denn an diesem Tag war sein Vater verstorben, und er, Wilhelm II., war vom kinderlosen König inoffiziell zu dessen Thronfolger ernannt worden. Noch immer dachte Wily mit Schrecken an den Tag zurück: Mit vor Aufregung geröteten Wangen hatte sein Onkel darauf gewartet, dass er, der Neffe, einen Freudentanz aufführte. Vergeblich. Denn dass er fortan unter besonders kritischer Beobachtung des Hofes stand, bloß weil er in zwanzig, dreißig Jahren vielleicht einmal Karls Zepter übernehmen sollte, gefiel Wily gar nicht. Freiheit adieu! war sein erster Gedanke gewesen. Und er hatte richtig damit gelegen – fast hätten sie ihm, Prinz Wilhelm II., zukünftiger König von Württemberg, sogar verboten, am Krieg teilzunehmen. Da war es doch kein Wunder, dass er neben seinem attraktiven eineinhalb Jahre älteren Vetter wie ein langweiliger Schulmeister wirkte.
    Missmutig zog Wily die Tür des Schlosstheaters hinter sich zu. Manchmal hatte er wirklich das Gefühl, vom Leben immer nur mindere Karten zu bekommen, wohingegen Eugen stets das Ass im Ärmel hatte. War der heutige Tag nicht ein wunderbares Beispiel dafür? Während Eugen einer schönen Tänzerin Avancen machte, war es für ihn schon am Morgen fad geworden:
    In einem langwierigen Gespräch hatte ihm seine Mutter bei einem Krug Wasser und staubtrockenen Keksen dargelegt, wie überaus wichtig es wäre, dass er sich baldmöglichst nach der geeigneten Braut umsähe. Wobei sie das Wort »geeignet« unter streng hochgezogenen Brauen mehrmals betonte. Angesichts der Wankelmütigkeit ihres Bruders sei ihm der Thron nämlich längst nicht sicher. Wily müsse nur ein Verhalten an den Tag legen, welches Karl nicht gefiele, und schon könne dieser in der Thronfolgerfrage umdisponieren. Immerhin gäbe es da auch Herzog Eugen. Er stammte zwar nur aus einer Seitenlinie des württembergischen Königshauses, dennoch musste man ihn durchaus als Konkurrent für Wily betrachten.
    Solltensie doch Eugen als Thronfolger wählen, dachte Wily, während er schweren Schrittes durch die Stadt lief. Er würde liebend gern auf die Krone verzichten, wenn man ihn dafür endlich in Ruhe ließe.
    Aber danach sah es leider nicht aus. Denn das Beste hatte sich seine Mutter bis zum Schluss aufgehoben.
    »Ich denke, mit Wera würdest du eine sehr gute Wahl treffen«, hatte sie gesagt und dabei einen Keks in zwei Teile zerbrochen.
    Wily hatte geglaubt, nicht richtig zu hören. Er und Wera? Das schlug dem Fass den Boden aus. Sicher, er mochte die ungestüme Russin. Wera war meistens bester Laune, schlagfertig und immer für eine Überraschung gut. Aber wenn es eine Frau auf Gottes Erdboden gab, die er sich nicht als die Seine vorstellen konnte, dann war es die Kameradin aus Kindertagen. Allein ihr Aussehen … »Schau nicht so entsetzt«, hatte seine Mutter spröde gesagt. »Bei näherem Betrachten wirst du mir zustimmen, dass mein Vorschlag brillant ist: Ihr kennt euch seit Ewigkeiten, sie stammt aus gutem Haus und –«
    »Aber du hasst Wera!«, hatte er seine Mutter heftig unterbrochen. » Dieses Trampeltier  – so nennst du sie doch, oder etwa nicht?«
    Katharina hatte abgewinkt.
    »Seit Olly und Karl sie im letzten Jahr adoptiert haben, ist sie eine Königstochter. Solltest du dich mit ihr verbinden, wäre dir der Thron auf alle Fälle sicher.«
    Wie wunderbar! Wütend kickte Wily einen Stein über den Gehsteig. Bestimmt würde seine Mutter beim Ball heute Abend von ihm erwarten, dass er das Trampeltier Wera über die Tanzfläche schob und höfliche Konversation mit ihr betrieb, während Eugen die hübschesten Mädchen führte.
    Verflixt, die Welt war und blieb einfach ungerecht!
    *
    Trompetenschmetternd blasen
    Fanfaren und Signal!
    Das schallt herauf

Weitere Kostenlose Bücher