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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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verzaubert.
    Aber auch bei Tag ging von der im orientalischen Stil gehaltenen Anlage ein gewisser Zauber aus. Und dennoch wusste Karl nicht, warum er ausgerechnet diesen Ort, der wie kein anderer für die Schöpfungskraft seines Vaters stand, für sein Gespräch mit Wera ausgesucht hatte. Lag es daran, dass er selbst keinen »eigenen« Ort hatte? Oder war seine Wahl schlicht der Tatsache geschuldet, dass sie hier, in diesem abgesperrten Park, sicher vor irgendwelchen Attentätern waren? Bisher war die großangelegte Suche erfolglos gewesen, was nicht zuletzt an Eugens äußerst unpräzisen Angaben zum Aussehen der beiden Angreifer lag. Karl konnte dies dem jungenMann nicht verdenken – wer merkte sich im Angesicht des Todes Nebensächlichkeiten wie Haarfarbe und Nasengröße?
    Er musste den Schlüssel ein wenig im Schloss hin und her rütteln, dann endlich gelang es ihm, das Tor mit einem Knarzen zu öffnen.
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, wann wir zwei den letzten gemeinsamen Ausflug unternommen haben«, sagte er beim Eintreten und verspürte einen feinen Stich in der Herzgegend. Was außer Ausflügen hatte er noch versäumt? Wie viel väterliche Liebe hatte er Wera versagt? War er auch dem Kind nicht gerecht geworden? So, wie er Olly gegenüber immer dürftig geblieben war?
    »Ich weiß doch, dass der Herr König sehr beschäftigt ist. Umso mehr freue ich mich, dass du dir heute Zeit für mich genommen hast.« Lächelnd hakte sich Wera bei ihm ein. »Du willst etwas mit mir besprechen?«
    Karl nickte. »Lass uns erst ein Stück spazieren gehen. Vielleicht zum Seerosenteich?«
    Es war einer jener goldenen Oktobertage, an denen das Licht so warm und intensiv ist wie das ganze Jahr über nicht. Die Luft war erfüllt von einer fast schwülen Sinnlichkeit, es roch nach Kümmel und Kastanien, nach Astern, Dahlien und mattem Gras, nach Erde und dem Wind, der vom Osten kam und von der nahenden kalten Jahreszeit erzählte.
    »Es ist wirklich verrückt«, sagte Wera, nachdem sie ein gutes Stück Weg einträchtig nebeneinanderher geschlendert waren. »Da draußen liegt unsere schwäbische Heimat mit ihren schwäbischen Häusern, ihren schwäbischen Weinbergen und ihren schwäbischen Hügeln. Und kaum tritt man hier durchs Tor, hat man das Gefühl, in den Gärten der Alhambra zu sein. Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.« Sie machte eine weit ausholende Handbewegung, mit der sie die Maurische Villa, die pavillonartigen, verschnörkelten Gewächshäuser mit ihren exotischen Pflanzen, das Badhaus und den orientalisch anmutenden Garten einschloss. »Dass es ausgerechnet dein Vater war, der sich diese zauberhafte Welt ausgedacht hat …«
    Karl schmunzelte. Auch er hatte Mühe, die einzigartige Mischungaus botanischem Garten und exotischen Gebäuden mit seinem kaltherzigen Vater in Verbindung zu bringen. Er zeigte auf eine der Bänke, die rings um den Seerosenteich standen. Wie groß die Blätter der Seerosen seit seinem letzten Besuch geworden waren! Und wie viele Rosen noch so spät im Jahr in voller Blüte standen. Libellen tanzten übers Wasser und machten die Illusion eines immerwährenden Sommers perfekt.
    »Ein berühmter Wiener Orientalist hat einst gemeint, dass in ganz Deutschland keine Stadt mehr den Namen Bagdscheserai, also Gartenstadt, verdiene als Cannstatt mit seiner Wilhelma«, sagte er und fragte sich, warum ihm das gerade jetzt einfiel.
    »Bagdscheserai – das ist doch eine Stadt auf der Krim? Mit Harem und einem riesigen Palast«, sagte Wera, die inzwischen am Rand des Teiches kniete und ihre Hand spielerisch durchs Wasser gleiten ließ.
    »Wilhelm hat seine Träume zur Wirklichkeit werden lassen.« Karl räusperte sich. Bot das nicht eine geradezu brillante Gesprächseröffnung?
    »Welche Träume hast eigentlich du, mein Kind?«
    Wera lachte auf. »Träume – ich? Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche, aber ich habe keine hochtrabenden Pläne oder gar Träume. Ich bin nicht wie Olly, die ständig etwas verändern und besser machen will.«
    Karl bemerkte sehr wohl, dass Wera Olly als Beispiel für einen Menschen mit hochtrabenden Träumen heranzog und nicht ihn, sagte aber nichts dazu.
    »Aber du musst doch irgendwelche Vorstellungen von deinem zukünftigen Leben haben.«
    »Und warum interessiert dich das auf einmal?«
    »Warum sollte es mich nicht interessieren?«, konterte Karl. »Mir liegt sogar viel daran, deine Wünsche zu erfahren. Ich möchte, dass du einmal ein Leben führst, in dem

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