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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ihm wohl die Ehre erweisen würde, mit ihm einen Landausflug zum Schloss von Bebenhausen zu machen, war sie wieder einmal in Tränen ausgebrochen. Endlich! Es war so weit. Hatte sie es nicht immer gewusst?
    Hektisch hatte sie sich zusammen mit Olly, Evelyn und Freifrau von Roeder durch ihre Garderobe gewühlt. Noch viel lieber hätte sie sich auf Margittas Rat verlassen, doch diese war seit Tagen unauffindbar. Dass die Freundin aus Kindertagen nicht an ihrer Seite war, bedeutete für Wera den einzigen Wermutstropfen im Kelch der Glückseligkeit.
    Bestimmt hätte Margitta treffsicher ein Kleid ausgesucht, das gleichermaßen zu einem Landausflug wie auch zu einem Heiratsantragpasste. Knitterfrei musste Weras Kleid sein, schließlich sollte es die mehrstündige Kutschfahrt in das südlich von Stuttgart gelegene waldreiche Gebiet gut überstehen. Taft und empfindliche Spitze schieden somit von vornherein aus. »Was für ein Jammer!«, seufzte Wera, die in den letzten Jahren ein Faible für aufwendige Garderoben entwickelt hatte. Da stand ihr ein solch erinnerungswürdiger Moment bevor und sie sollte ihn in karierter Hemdbluse und Leinenrock erleben?
    »Die wildreichen Wälder rund um Bebenhausen sind in Jägerkreisen sehr beliebt, womöglich will auch Eugen mit dir auf die Jagd gehen? Dann wäre ein schlichtes Gewand genau richtig«, sagte Olly.
    »Ich glaube nicht, dass Eugen ein ebenso leidenschaftlicher Jäger wie Wily ist«, sagte Wera. Eigentlich weiß ich ziemlich wenig über meinen zukünftigen Ehemann, schoss es ihr durch den Kopf. Aber das würde sich ja bald ändern!
    Am Ende entschied sie sich für ein hellbraunes Kleid im Trachtenstil. Statt die Accessoires ebenfalls im ländlichen Stil zu halten, wählte sie elegante rote Handschuhe und eine aufwendige rote Brosche. Um gegen den Fahrtwind gerüstet zu sein, ergänzte sie ihr Gewand durch ein goldenes Häkeltuch. Schließlich handelte es sich bei Bebenhausen nicht um eine ärmliche Hütte, sondern um den Landsitz des Königs!
    Nach mehrstündiger Fahrt und einer eher gequälten Konversation waren beide froh, als die Kutsche endlich vorfuhr.
    »Wenn ich bitten darf?« Mit einem galanten Lächeln öffnete Eugen den Verschlag.
    Wera reichte ihm zitternd ihre rot behandschuhte Hand. Vor dem ehemaligen Zisterzienserkloster, das König Wilhelm vor langer Zeit zu Wohnräumen für seine Gäste hatte umbauen lassen, fegten einige Stallburschen den Hof.
    Sie warfen den Besuchern neugierige Blicke zu. Schon kam auch der Verwalter der Schlossanlage – ein kleiner Mann von gedrungener Statur, den Wera von früheren Besuchen kannte – eilig auf sie zugerannt. Doch statt sie zu begrüßen, machte er lediglich aus der Ferneein paar seltsame Handbewegungen, die Wera nicht deuten konnte. Eugen anscheinend sehr wohl, denn er nickte dem Mann grinsend zu.
    »Das Wetter ist viel zu schön, um die Zeit hinter dicken Schlossmauern zu verbringen. Wie wär’s stattdessen mit einem kleinen Spaziergang?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog er Wera auf den gekiesten Weg, der am Stallgebäude entlang in Richtung Wald führte. Sie passierten einen Brunnen und ein paar quadratische Blumenbeete, die zum sogenannten »Blumengärtlein« gehörten, das Karls Großvater, König Friedrich I., einst hatte anlegen lassen. Jetzt im Herbst blühten hier vor allem Astern in verschiedenen Lilatönen, auch ein paar schwach duftende Rosen waren noch zu bewundern. Von der Hofküche wehte der Duft nach Braten und Gewürzen zu ihnen herüber. Hatte Eugen ein feines Essen für sie vorbereiten lassen? Sofort begann Weras Magen lautstark zu knurren. Für eine gute Mahlzeit war sie immer zu haben, andererseits hätte ihr auch eine Woche Fastenzeit nichts ausgemacht, solange sie diese mit Eugen verbringen durfte.
    »Du siehst sehr hübsch aus! Wie eine Waldfee …«, sagte Eugen. Mit einem geschickten Kniff brach er einen kleinen Zweig mit zwei Rosenblüten ab. »Darf ich?« Genauso geschickt befestigte er das Rosenzweiglein am Revers ihres Kleides. »Eine ungezähmte, natürliche Schönheit – genau wie du.«
    Wera schluckte. Es war noch nie vorgekommen, dass Eugen ihr ein Kompliment machte. Meist waren es mehr oder minder freche Neckereien, die Wily, Eugen und sie sich gegenseitig an den Kopf geworfen hatten. Seine Worte fühlten sich fremd und fast ein wenig bedrohlich an.
    Ich bin’s, Wera, die Brezelprinzessin, wollte sie sagen. Aber das hätte den Moment gewiss zerstört.
    Stell dich nicht dumm an!

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